Landesregierung

In Thüringenkönnen Minister sehr früh ihren Lebensabendbeginnen. Er wird ihnen mit einem üppigen Ruhegehalt versüßt.

Erfurt - Christian Carius ist 33 Jahre alt. Er hat Haus und
Garten, kocht gerne Erdbeer-Marmelade und liebt Jazzmusik. Außerdem ist Carius Thüringer Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr. Ganz sicher ein herausgehobenes Staatsamt, das mit Verantwortung, Druck der Öffentlichkeit und vermutlich langen Arbeitstagen einhergeht. Dass er in dem Job sehr viel mehr geschlaucht wird als Dachdecker, Berufsschullehrer oder Firmen-Chefs von ihrer Arbeit, ist jedoch unwahrscheinlich.



Selbst nicht eingezahlt

Trotzdem kann Carius mit 55 Jahren in Rente gehen, wenn er als Minister mindestens vier Jahre lang durchhält. Würde er es auf zehn Jahre Amtszeit bringen, bekommt er die Rente sogar sofort. Er wäre dann 43 Jahre alt und würde - da seine Zeit als Landtagsabgeordneter Berücksichtigung findet - eine Summe kassieren, die bei 8000 Euro liegen könnte. Im Monat.
So hat es der Thüringer Bund der Steuerzahler ausgerechnet, dem es bei solch üppiger Altersversorgung schier die Sprache verschlägt. "Der sogenannte Eckrentner bekommt rund 1000 Euro. Dafür hat er aber auch ein ganzes Leben lang geschafft", sagt Geschäftsführer Wolfgang Mahrle. Ein normaler Arbeitnehmer muss sich inzwischen auf die Rente mit 67 und sinkende Zahlungen einstellen. Von ihm wird private Vorsorge verlangt. Doch all das gilt nicht für die Thüringer Minister. Sie zahlen nicht in die Rentenversicherung ein; ihre Pensionen tragen wie bei den Beamten die Steuerzahler.
Das Wunder der Carius-Rente wird möglich durch das Thüringer Ministergesetz, das seit dem 14. Mai 1991 gilt. Zwar gab es zwischenzeitlich kleine Änderungen. Sein süßer Kern - die üppige Altersversorgung - blieb aber unangetastet. Fast tut es Geschäftsführer Mahrle vom Steuerzahlerbund ein bisschen leid, am Beispiel von Christian Carius die Folgen des Ministergesetzes darzustellen. Der junge Minister kann schließlich nichts dafür. Er gehört dem Landtag in Erfurt erst seit 1999 an.
Doch das wird ihn aller Voraussicht nach nicht hindern, das sogenannte Ruhegehalt anzunehmen, das ihm irgendwann berechnet wird. Ist seine Versorgung vorerst nur Wunschbild, ist sie bei anderen Landespolitikern bereits Realität. Vor zwei Jahren etwa erboste sich der Steuerzahlerbund über Andreas Trautvetter. Der Multi-Minister, der von 1992 bis 2008 Mitglied der Landesregierung war, dürfe nach seinem Abschied vom Staatsamt mit 52 Jahren auf ein stattliches Ruhegehalt hoffen, wetterte der Steuerzahlerbund damals.
Der prominenteste Fall ist freilich Dieter Althaus. Vorigen Herbst schied er als Ministerpräsident aus dem Amt. Nach Mahrles Berechnung hat er derzeit einen Anspruch auf monatlich rund 8500 Euro Ruhegehalt. Der Edel-Rentner fühlt sich mit 51 Jahren jedoch noch voller Tatkraft. Er heuerte jüngst als Vize-Präsident beim Autozulieferer Magna an, einem österreichisch-kanadischen Weltkonzern.
Die damit verbundenen Einkünfte sind für sein Ruhegehalt unerheblich, da sie offenbar nicht verrechnet werden. So zumindest deutet der Steuerzahlerbund das nur schwer verständliche Thüringer Ministergesetz. "Es gibt gewisse Grauzonen mit Schlupflöchern", sagt Geschäftsführer Mahrle. Während Einkünfte aus öffentlichen Kassen angerechnet würden, sei das bei privaten Einkünften wohl nicht der Fall. "Es wäre hilfreich, das am Beispiel Althaus offen zu legen", verlangt er. Auch bei Ex-Minister Trautvetter, der inzwischen in der Erfurter Niederlassung eines Wirtschaftsinstitutes arbeitet, dürfte es demnach keine Verrechnung geben.


Keine Verrechnung

Das Finanzministerium verweigert mit Hinweis auf den Datenschutz die Auskunft zum Althaus-Ruhegehalt. So bleibt vorerst festzuhalten: Was etwa bei Beziehern von Arbeitslosengeld üblich ist, deren Zuverdienst verrechnet wird, gilt nicht im süßen Ruhestand der Thüringer Minister. Das Problem freilich wäre gelöst, wenn die Minister ihre Altersbezüge wie Arbeitnehmer erst mit 65 Jahren bekämen. Genau das fordert der Steuerzahlerbund.
Präsidentin Elfi Gründig kritisiert in einem Rundumschlag, dass die Ruhegehälter "zu früh, zu hoch und vollständig aus Steuermitteln finanziert werden". Damit nicht genug: Die Thüringer Regelungen stünden "im krassen Widerspruch zu der allgemeinen Entwicklung im Rentenrecht und liegen über denen für Bundesminister", schrieb sie jetzt in einem Brandbrief an Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Gründigs Forderung: Das Ministergesetz ist dringend zu überarbeiten, um zu zeigen, dass angesichts der Haushaltsnöte auch hier gespart wird. Laut Steuerzahlerbund sollen die Ausgaben für Ministerpensionen allein im Landesetat 2010 um mehr als 700 000 Euro steigen.
Schon 1998 hatte der Steuerzahlerbund vom Thüringer Ministerpräsidenten, der damals Bernhard Vogel hieß, Änderungen am Ministergesetz verlangt. Doch die ebenfalls per Brief übermittelte Mahnung verhallte. Ob es jetzt anders kommt, ist ungewiss, auch wenn Althaus inzwischen fast schon als Abzocker gilt. "Gerade für Geringverdiener muss es wie Hohn erscheinen", sagt die grüne Fraktionschefin Anja Siegesmund, wenn der Ex-Ministerpräsident nun bei Magna arbeitet, aber weiterhin seine Pension bezieht.
Auch der FDP-Abgeordnete Thomas L. Kemmerich empört sich über die "üppigen Dauerzahlungen an scheidende Minister". Und Oppositionsführer Bodo Ramelow (Linke) denkt darüber nach, wie das Althaus-Ruhegehalt sogar rückwirkend gestrichen werden kann. Doch mehr als Ankündigungen gibt es bisher nicht. Bis gestern lag im Landtag kein entsprechender Antrag oder Entwurf einer Fraktion vor, sagte ein Sprecher auf Nachfrage.
Das immerhin ist die Chance für Bauminister Christian Carius, der nun in seiner dritten Legislaturperiode Abgeordneter ist. 1991 konnte er die Privilegien der Thüringer Minister nicht mitbeschließen. Damals war er erst 14. Jetzt aber kann er helfen, sie abzuschaffen.



11.03.2010 Freies Wort, Eike Kellermann