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OVZ / Freies Wort, 10.2.

POLITISCHER ASCHERMITTWOCH
Das große Abrechnen bei Hering und Bier

Beim Bier zu Beginn der Fastenzeit wird Stimmung gemacht - die CDU erinnerte sich der Idee "Steuererklärung auf dem Bierdeckel".
VON MATTHIAS THÜSING

ERFURT - Deutschland geht unter. Als Luxusliner hat der Staat einen Eisberg gerammt. "SOS - Save Our Sozialsystem" ist das Plakat an der Tür der Stadthalle Gotha überschrieben. Wer das Poster passiert, befindet sich mittendrin im politischen Aschermittwoch - Sektion PDS. Thüringens PDS-Exportschlager ist seit Mittwochabend zur Fahndung ausgeschrieben.

Denn Fraktionschef Bodo Ramelow zog es vor, beim großen Berliner Polit-Aschermittwoch vor Anker zu gehen. Innenexperte Roland Hahnemann ging an seiner statt in die verwaiste Landes-Bütt und hatte die Idee mit der Fahndung. Andere Redner schlugen CDU-Justizminister Harald Schliemann vor, nicht nur das Mühlhäuser Gericht, sondern gleich alle Thüringer Justiztempel zu schließen. "Dann könnte er aus der Rechtssprechung eine Art Wanderzirkus machen." Umrahmt von Musik und Tanz zielten die Spitzen der verschiedenen PDS-Redner gestern auch schon mal in die eigenen Reihen. Damit kam der inzwischen 11. PDS-Aschermittwoch der morgendlichen Ankündigung der Deutschen Presseagentur (dpa) in ihrem Termindienst recht nah. Die hatte die verschiedenen Aschermittwochsangebote der Thüringer Parteien unter die Schlagworte "Karneval und Brauchtum" gestellt.

Beim Bier und mit gewissem Ernst dagegen tagte die politische Konkurrenz. SPD-Landeschef Christoph Matschie hatte in ein Arnstädter Gasthaus eingeladen. Der gelernte Theologe erinnerte an den Sinn der Fastenzeit und machte Mut in dunkler Zeit. "40 Tage Fasten überstehen wir locker." Weniger zuversichtlich zeigte er sich über 1700 Tage CDU-Politik bis zur kommenden Landtagswahl. 2,4 Millionen Thüringer befänden sich als Versuchskaninchen im Großversuch des Dr. Althaus.

Mal wieder Pech hatte dagegen die Landes-FDP. Ihr Hauptredner, der schillernde Finanzberater Mario Ohoven, hatte keine 24 Stunden vor Veranstaltungsbeginn abgesagt. Er schickte seinen Gebietsfürsten vom Bund der Mittelständischen Wirtschaft, Günther Richter. Doch dem emsigen Streiter für die heimischen Unternehmen fehlte der Glanz, in dessen Schein sich die Veranstaltung hätte spiegeln können. Landesparteichef Uwe Barth wetterte unterdessen gegen die Finanzpolitik des Freistaates und kippte Hohn und Spott über den Generalsekretär der Union, Mike Mohring, aus. Die Aussagen über eine Reduzierung der Neuverschuldung ab 2010 seien "illusorisch". Doch auch Rot-Grün in Berlin nahm Barth auf´s Korn - aufgrund der "unglaublich schlechten Arbeitsmarktpolitik" und stellte mit großem politischen Appetit die jahrelangen Einlassungen der Bundesregierung zur Wirtschaftspolitik mit der Entwicklung der Arbeitsmarktdaten gegenüber. Dazu wurden Hering und Bier gereicht - kostenfrei.

Anders bei der Union: Selbst CDU-Generalsekretär Mike Mohring hatte die 7,50 Euro zu berappen. "Zahlen muss jeder. Keine Ausnahmen für Bonzen", witzelte er, der in Abwesenheit des urlaubenden Ministerpräsidenten Dieter Althaus eigentlich der Gastgeber der Veranstaltung war. "Wir haben den einzigen politischen Aschermittwoch im Freistaat organisiert, der trotz Eintritt einen vollen Saal vorweisen kann", freute er sich schon zu Rosenmontag. Für das Geld wurden freilich die traditionelle Heringsmahlzeit und das Bier von der Partei übernommen.

Die deftigen Reden zur leichten Kost gab es gratis dazu. Wie nicht anders zu erwarten, nahm sich der Haupt-Redner, Ex-Partei- und -Landeschef Bernhard Vogel, der rot-grünen Regierungspolitik an. Der Applaus der 400 (Partei-)Freunde war ihm sicher. Der freie Eintritt übrigens auch. Bernhard Vogel, der privat im Ruf steht, den gnadenlosen Sparkurs zu halten, den er politisch nie gesteuert ist, durfte für lau in den Saal. "Die Kosten übernehmen wir", bestätigte Mike Mohring die einzige Ausnahme von der Bonzen-Regel.
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TA, 10.2.

Fastenzeit
Von Wolfgang SUCKERT und Martin DEBES
Bad Sulza, Bernhard Vogel und Bier - es war gestern wie bei jedem Aschermittwoch der Union; der aktuelle Ministerpräsident fehlte nicht wirklich. Und sowieso hatte die Pointe des Tages schon Bodo Ramelow am Morgen in Berlin geliefert.

ERFURT/BERLIN. Seit gestern, 12.12 Uhr, ist Bundestagswahlkampf, zumindest für die PDS, zumindest für Bodo Ramelow. Er, der sonst nur die Fraktion im Thüringer Landtag anleitet, stand in der "Ständigen Vertretung" und verkündete, und zwar ganz ernsthaft, diese Nachricht.

Bei der "Ständigen Vertretung" handelt es sich um jenes Lokal nahe dem Reichstag, in dem sich verschleppte Ewig-Bonner trösten und in dem einst aschermittwochs schon eine gewisse Gabriele Zimmer daran scheiterte, lustig zu sein.

Dazwischen lag die Vertreibung aus dem Parlament - und weil Bodo Ramelow als Wahlkampfleiter dafür sorgen soll, dass man im Herbst 2006 wieder hinein kommt, hielt er seine absolut humorlose Standardklassenkampfansprache.

Die 200 Gäste ließen ihn reden, tranken viel Kölsch und sangen alte Pionierlieder, die der westdeutsch sozialisierte Ramelow nicht mal mitsummen konnte.

In Bad Sulza wurde zwar nicht gesungen, dafür aber schlecht gereimt. "Jetzt gibt´s fünf Millionen Arbeitslose, Hartz IV geht da wohl in die Hose", deklamierte Mike Mohring im Konferenzsaal der Toskana-Therme am Abend. Bad Sulza liegt im Weimarer Land und damit im Wahlkreis des CDU-Abgeordneten, der neuerdings auch den Generalsekretär gibt.

Dass Mohring ist, was er ist, hat viel mit Bad Sulza zu tun. Hier statuiert er einmal pro Jahr das Exempel seiner Organisationsgabe. Seine Junge Union, die er mit 33 faktisch immer noch anleitet, marschiert auf, Landräte, Abgeordnete, Funktionäre kommen, und auch der Ministerpräsident erscheint.

Das heißt, diesmal war jener da, der schon außer Diensten ist, und auch die Partei führt Bernhard Vogel nur noch ehrenhalber. Denn sein Nachfolger fährt in der österreichischen Silvretta Ski. Man habe doch Ferien, verlautbart die Staatskanzlei, die Gattin sei ja Lehrerin und Tochter Andrea noch in der Schule.

Dafür vertrat ihn Vogel. "Ein Hoch auf Dieter Althaus" vorangestellt, verteidigte er alles, was dieser gerade so vorhat, ob nun die Behördenreform oder die Kürzungen bei den Kommunen, und sagte in Richtung seines Ex-Ministers Jürgen Gnauck: "Da darf man nicht gleich den Untergang der Welt ausrufen."

Dennoch, FDP-Chef Uwe Barth erklärte beim liberalen Aschermittwoch in der Erfurter Braugold-Brauerei die Einschnitte bei den Kommunen zur Katastrophe, und SPD-Chef Christoph Matschie nannte in der "Goldenen Henne" zu Arnstadt den Regierungschef besonders humorig einen Dieter Schmalhans: "Der noch 1700 Tage im Amt - das kann auch die stärkste Kommune aus den Latschen hauen."

In wenigen Tagen muss die CDU-Mehrheit im Landtag den Haushalt verabschieden.

Die Fastenzeit hat begonnen.
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TA, 11.2.

Berlin, Berlin
Von Martin DEBES

Bodo Ramelow ist es schon fast, und auch der FDP-Obmann Uwe Barth will es bald sein: in Berlin. Und was ist mit Dieter Althaus?

ERFURT/BERLIN. In jenem Teil der vierten Etage im Landtag, wo die übrig Gebliebenen der Thüringer Sozialdemokratie ihre Büros haben, betrachtete man bislang nicht gerade erfreut das andere, eher repräsentative Ende des Flures. Immerhin wurde man von dort nach der Wahl von der gewachsenen PDS-Fraktion vertrieben.

Doch seit einiger Zeit ist die Aussicht etwas gefälliger, was daran liegt, dass Bodo Ramelow seltener zu sehen ist. Der Fraktionschef ist nun im Bundesvorstand der PDS und somit des Öfteren in Berlin. Und da er dort ausgerechnet am Aschermittwoch den Wahlkampf für 2006 als Erster eröffnete, dürfte er als Wahlkampfleiter noch häufiger dort sein.

Für die SPD und ihren noch immer eher unauffälligen Chef und Berlin-Heimkehrer Christoph Matschie bringt schon die partielle Abwesenheit des öffentlichkeitswirksamen Ramelow Entlastung. Zumal, falls der PDS-Mann seine Partei als Fraktion in den Bundestag brächte, dann wäre er, allen Dementis zum Trotz, ihr Mitglied.

In Berlin könnte er dann Uwe Barth treffen. Der Referatsleiter aus dem Erfurter Umweltministerium ist es leid, nur nebenbei den FDP-Landesverband zu führen. Er will dem einzigen liberalen Abgeordneten aus Thüringen nachfolgen, schließlich ist Karlheinz Guttmacher bereits über die 60.

Obgleich FDP-Spitzenkandidaturen für den Bundestag in Thüringen bereits dazu führten, dass ganze Parteitage implodierten und man sich gegenseitig wegen Pornografie anzeigte, so hat Barth doch recht gute Chancen. Seine Konkurrenten sind, wie Andreas Kniepert, entweder beschädigt oder ganz aus der Partei ausgetreten. Oder sie sitzen, wie Stellvertreter Percy Wessely, wegen Bestechungsverdacht in Untersuchungshaft.

Barth, so sagen es die internen Planungen, soll als leibhaftiger Bundestagsabgeordneter die FDP 2009 nach dann nunmehr 15 Jahren aus der Diaspora in den Landtag führen - und hernach die Fraktion leiten.

Doch das scheint ungefähr so glaubhaft wie die Versicherungen aus der Staatskanzlei, dass Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) nur in Thüringen seine Lebensaufgabe sieht. Wer einmal beobachtet hat, wie gerne er über die Steuerreform im Bund redet und wie ungern über den kommunalen Finanzausgleich, der hält alles für möglich.

Sowieso hat sich Althaus wie kaum ein anderer auf Angela Merkel festgelegt. Falls sie 2006 gewinnt, ist sie dran.

11.02.2005 Pressestelle