Für die Menschen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR hat freiheitliche Politik noch einen anderen Stellenwert, steht aber auch vor anderen Herausforderungen. Viele Bürger haben in Mittel- und Ostdeutschland die konkreten Auswirkungen eines diktatorischen Regimes gespürt. Manche mussten Gewalt und Terror ertragen, die meisten allerdings bedrückte die miefige Enge eines vormundschaftlichen Staates, der keine Entscheidung seinen (unfreien) Bürgern überließ, sondern die Menschen mit Schnüffelei und Gewaltandrohung zu Dienern (oder besser Soldaten) des Staates degradieren wollte. Selbst auf private Entscheidungen wie Wohnsitzwahl, Schulausbildung, Arbeitsplatz, Berufswunsch oder selbst die Ferienplatzvergabe nahm die sozialistische Diktatur starken Einfluss.

Die freiheitliche, eigenverantwortliche und selbstbewusste Weltanschauung des Liberalismus stellt dazu den kompletten Kontrast dar. Viele Bürger atmeten befreit auf, als sie die Beklommenheit des kleinmütigen, spießbürgerlichen Terrorregimes davon jagten. Die freiheitliche Bürgergesellschaft verteidigt schließlich Eigentum, versucht Leistung gerecht zu belohnen, will aber auch Schwache auffangen.

Diesen Freiheitsbegriff der Eigenverantwortung mussten viele Ostdeutsche lernen, andere waren erstaunt und wieder andere enttäuscht. Das ist die Herausforderung, vor der die FDP in den neuen Ländern steht. Und es ist erhebliches Unterscheidungsmerkmal zur FDP im Westen: Das Zerrbild der DDR wirkt nach. Freiheit und Wohlstand muss man sich täglich erarbeiten. Leistungsgerechtigkeit ist ein Grundrecht. Gleichmacherei bedeutet Unfreiheit. Dies alles ist auch mehr als 20 Jahre nach der Einheit nicht selbstverständlich. Im Gegenteil: Nach wie vor ist die Überzeugungsarbeit schwierig, die weitverbreitete Skepsis vor dem Grundsatz „Privat vor Staat“ abzubauen. Und die Herausforderung wird nicht kleiner, wenn die Abwanderung von Hochqualifizierten und Leistungsträgern auch nach so langer Zeit noch anhält. Bis heute wirkt so der DDR-Unrechtsstaat auf die Region nach.

04.10.2012 3574