Bundespolitik

Thüringens FDP-Landesvorstand zieht zwei Monate nach der Wiederwahl erste Bilanz zur Bundesregierung
Erfurt, 19.11.2002. „Für diesen Regierungskurs kann ich kein Verständnis mehr aufbringen. Angesichts der wirtschaftlichen Problemlagen in unserem Land, sind die Aktionen der rot-grünen Regierung aus meiner Sicht epileptische Anfälle, mehr nicht.“ Das waren harte Worte, die der Bundestagsabgeordnete Dr. Karlheinz Guttmacher am Montagabend verlauten ließ. Solange er denken könne, habe er zumindest im demokratischen Staat so etwas nicht erlebt: Vertuschung der wahren Wirtschafts- und Finanzzahlen, Belügen der Wählerschaft, Selbstherrlichkeit der Regierung und Lethargie gegenüber anstehenden Probleme.
Auch sein Stellvertreter im Landesvorstand Volker Weber ist entsetzt: „Die Wucht und die Häufigkeit, in der die Hiobsbotschaften einschlagen, sind beträchtlich: Der Koalitionsvertrag entpuppt sich als Lügengebäude, der Finanzminister will die Flexibilität des Stabilitätspaktes aufweichen, die Neuverschuldung geht in Richtung vier Prozent, die Rentenbelastung steigt auf 19,5 Prozent, der Umsatz im Einzelhandel geht um 1.5 Prozent zurück, im gesamten deutschen Handel müssen wahrscheinlich 3000 Stellen gestrichen werden, kurz vor Beginn der kalten Jahreszeit erhöht Hans Eichel die Heizkosten und am Montag findet er noch ein weiteres Defizit, so dass wir bereits 35 Milliarden Steuerschulden zusätzlich aufnehmen, also 10 Milliarden mehr, als uns die Verfassung erlaubt.“
Uwe Barth, ebenfalls Stellvertreter des Landesvorsitzenden, ist insbesondere über die Unkenntnis der Regierung erstaunt: „Da werden 15 Prozent Abgaben auf Investitionsgewinne erhoben, mit dem Verweis, diese Steuer sei auch in anderen Ländern üblich. Die Steuersysteme in den USA oder in Frankreich sind aber mit dem deutschen nicht vergleichbar. Die Bürger werden schon wieder belogen.“ Gerade dieser Punkt weckt bei den Liberalen und insbesondere bei ihrem Vorsitzenden die Erbitterung: „Seit über 12 Jahren stehe ich im Wahlkampf und diskutiere mit den Leuten von der Straße. Vor allem im Osten ist das Image der Politiker und der Politik selbst schlecht. Meine Parteifreunde und ich, aber auch andere Direktkandidaten, Kommunalpolitiker und ihre zahlreichen ehrenamtlichen Helfer versuchen die Bürger für Politik zu interessieren und die gängigen Klischees zu widerlegen. Und dann kommt eine Regierung und bedient genau diese Klischees: Sie belügt und betrügt den Wähler, nur um eigene Fehler zu verdecken und ihre Macht zu erhalten. Koste es, was es wolle. Wer hat denn jetzt noch Vertrauen zur Politik?“, fragte Guttmacher empört. Ähnlich sieht es Hort Gerber, stellvertretender FDP-Landeschef: „Man muss direkt Angst bekommen, wenn Hans Eichel zukünftig vor ein Mikrofon tritt. Im September sprach er noch von einer Neuverschuldung unter drei Prozent, im Oktober ging er knapp darüber und im November haben wir schließlich 3.8 Prozent. Die bisherigen Methoden bedeuteten einen Griff in die Tasche des kleinen Mannes. Ist das seine Vorstellung von sozialdemokratischer Solidarität?“ Für ihn ist in diesem Punkt ohnehin das Maß voll: „Die unverschämten Reaktionen des Kanzlers in der letzten Woche zeugen von Ignoranz und Selbstherrlichkeit. Mit einem Grinsen und versteckter Kritik an den Verfassern übernahm er das Wirtschaftsgutachten der Wirtschaftsweisen. Ein Schlag ins Gesicht für alle Arbeitslosen und diejenigen, die tagtäglich um ihren Job bangen müssen.“
Alles in Allem stellten die Mitglieder des Landesvorstandes die Nichtregierungsfähigkeit der Regierung fest: „Rot-Grün wetterte vor der Wahl gegen den Golfkrieg und stimmte nach der Wahl den UN-Resolutionen, die Krieg androhen, zu. Auf das Einbrechen des Bausektors reagieren sie mit einer Investitionssteuer und der Streichung der Bau-Subventionen. Nachdem die Rentenversicherung angehoben wurde, heben sie als nächstes Öko-Renten-Steuer an. Auf die Eröffnung des EU-Verfahrens wegen zu hoher Neu-Verschuldung konnten sie nur mit einem reagieren: Mit nochmaliger Neuverschuldung und natürlich mit der Forderung nach Aufweichung des Stabilitätspaktes.“
Der FDP-Landesvorstand, der am Montagabend zusammentrat, hatte vor allem über die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme diskutiert. Kritisch beleuchtete er ebenfalls die Auswirkungen der fatalen Politik auf Thüringen. In der Folge stellte er einen Fahrplan zur weiteren Entwicklung zusammen, der sich an der Thüringer Landtagswahl 2004 orientiert. Danach sollen die Experten der FDP in Arbeitskreisen, die sich an den Landtagsausschüssen orientieren, Lösungen formulieren, die auf einem Landesparteitag im nächsten Jahr diskutiert werden sollen.


19.11.2002 Pressestelle