TLZ-Interview

Der der Landesvorsitzende der FDP Thüringen und Fraktionsvorsitzende der FDP im Thüringer Landtag, Uwe Barth, gab der Thüringischen Landeszeitung (heutige Ausgabe) folgendes Interview. Die Fragen stellte Hartmut Kaczmarek.

Frage: Wie wohl fühlt man sich noch in der FDP?

BARTH: Es war schon in den letzten Wochen nicht einfach in der FDP. Deshalb fühlen sich die, die da sind, gut aufgehoben in der Partei. Der Rücktritt von Christian Lindner trägt aber sicher nicht dazu bei, dass sich das Wohlgefühl hebt.

Frage: Haben Sie eine Erklärung für den Rücktritt?

BARTH: Nein.

Frage: Ist das eine Schwächung des Parteivorsitzenden Philipp Rösler?

BARTH: Das Amt des Generalsekretärs ist ein besonderer Vertrauensposten. Deshalb ist ein Rücktritt des Generalsekretärs ganz bestimmt keine Stärkung des Vorsitzenden.

Frage: Es gibt heute Stimmen in der FDP, unter anderem vom liberalen Urgestein Rudolf Baum, die fordern, das ganze Präsidium müsse zurücktreten und den Weg für einen personellen Neuanfang frei machen.

BARTH: Wir können nicht alle paar Monate einen personellen Neuanfang starten.

Frage: sie haben sich von Anfang an skeptisch geäußert zu der "Boygroup" oder dem "Club der 30-Jährigen" an der FDP-spitze. Sehen Sie sich bestätigt?

BARTH: Leider ja.

Frage: Sind Sie persönlich enttäuscht von Lindner?

BARTH: Ein Stück weit ja. Er hatte als Generalsekretär eine besondere Verantwortung. Er hat den Posten nach der Bundestagswahl übernommen und insofern auch einen Anteil an der Entwicklung seither. Deshalb hätte ich erwartet, dass er auch daran mitarbeitet, aus diesem Tal wieder herauszukommen.

Frage: Lindner hat gesagt, er wolle dem Parteivorsitzenden mit seinem Rücktritt ermöglichen, eine neue Dynamik in die Partei zu bringen. Stand aber nicht gerade Lindner für Dynamik?

BARTH: Er ist mit großen Erwartungen gestartet. Das Bild, das er von sich erzeugt hat, entspricht dem von Ihnen beschriebenen. Wenn er selbst sagt, es werde jetzt eine neue Dynamik gebraucht, scheint dieses Bild aber nicht zu stimmen. Mich verwundert das, denn als Generalsekretär war er für das Erzeugen von Dynamik mit zuständig. Und wir befinden uns mitten in der Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogrammes. Deshalb kann ich es drehen und wenden wie ich will: Für mich ist dieser Rücktritt nicht erklärbar.

Frage: Wie geht es mit der FDP weiter? Ist in Berlin nur noch ein Trümmerhaufen abzuwickeln?

BARTH: Die Beschädigungen reichen auch in die Landesverbände hinein. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Arbeit der FDP in der Bundesregierung erheblich besser ist als das Bild, das wir selbst von uns zeichnen. Es sind alles hausgemachte Probleme.

Frage: Die Menschen auf der Straße…

BARTH: …interessieren sich für die Probleme, die sie unmittelbar betreffen. Aber die interessiert bestimmt nicht, in welchen gruppendynamischen Prozessen sich die FDP gerade befindet. Deswegen hoffe ich, dass diese Ereignisse auch ein heilsamer Schock sind.

Frage: Was soll das bewirken?

BARTH: die Besinnung darauf, dass 15 Prozent der Bevölkerung uns gewählt haben, um bestimmte politische Probleme zu lösen. Das müssen wir machen. Wir müssen den Menschen aber auch erzählen, dass wir es machen.

Frage: Was muss jetzt geschehen?

BARTH: Wir müssen Klarheit über die Ursachen für diesen Rücktritt bekommen. Ich rate dringend zur Besinnung auf politische Inhalte. Wir müssen wegkommen von Personaldebatten. Dieser Weg war in Thüringen erfolgreich.

Frage: Keine schnelle Lösung?

BARTH: Ganz gewiss nicht. Es dauert lange, seinen Ruf wieder aufzupolieren. Das geht aber nur über harte politische Arbeit. Wir müssen klar machen, dass der politisch organisierte Liberalismus in Deutschland gebraucht wird.

Frage: Es heißt auch: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Kann die FDP jetzt ganz ungeniert leben?

BARTH: Das ist nicht einmal ein verführerischer Gedanke. Wenn wir das täten, würden wir nicht mehr lange politisch überleben. Keiner in der FDP hat Interesse an einem schlechten Erscheinungsbild. Deshalb ist dieser Spruch falsch.

Frage: Trauen Sie Rösler noch immer zu, die Partei aus der Krise zu führen?

BARTH: Wir haben ihn im Mai gewählt. Wir waren alle optimistisch und euphorisch. Uns allen war klar, dass das nicht einfach werden würde. Die Ereignisse von heute sind sicherlich kein Fortschritt auf diesem Weg. Aber es hilft nicht weiter, wenn wir alle acht oder neun Monate anfangen Führungsfragen neu zu klären. Ich will jetzt einmal den kommenden Freitag abwarten. Dann ist wieder Bundesvorstandssitzung.

Frage: Angenommen, sie müssten jemandem kurz erklären, warum die FDP überhaupt noch gebraucht wird: Welche Sätze wären das?

BARTH: Ohne die FDP würde die wirtschaftliche Vernunft in der Regierung fehlen. Die wirtschaftliche Lage Deutschlands wäre bestimmt nicht so günstig wie derzeit. Das ist auch ein Ergebnis liberaler Wirtschaftspolitik.

Frage: Können Sie FDP-Mitglieder in der aktuellen Lage überhaupt noch motivieren?

BARTH: Der Mitgliederentscheid hat gezeigt, dass Mitglieder zu mobilisieren sind. Möglicherweise wird er am Quorum scheitern. Aber 17 000 bis 18 000 Mitglieder, die sich beteiligt haben, sind für mich ein Signal, dass die Basis motivierbar ist. Allerdings über politische Inhalte, weniger über Personalstreit.

15.12.2011 Pressestelle