"Sondershausen. Schien es erst so, als hätte kaum ein Sondershäuser Fragen an die fünf Bewerber um das Bürgermeisteramt am Mittwochabend im Rathaussaal, trudelten kurz vor 18 Uhr doch noch um die 30 Bürger ein, von denen jedem einige Dinge auf den Nägeln brannten. So wurden aus den geplanten zwei Stunden am Ende drei. "
Renate Rusche / 13.04.12 / TA
" Dass das allen fünf Kandidaten recht gewesen ist, darf bezweifelt werden, denn sie schwitzten ein ums andere Mal bei den Antworten und besonders bei konkreten Nachfragen der Bürger. Wer wirklich an Visionen für das Sondershausen der Zukunft, neue Wege in Sachen Stadtpolitik oder mehr Miteinander zwischen Rathaus und Bürgern gehofft hatte, sah sich bitter enttäuscht.
So, wie es Rüdiger Schraps deutlich allen fünf Bewerbern ins Gesicht sagte. Seine Familie überlegt derzeit, aus dem wunderschön gelegenen Sondershausen wegzuziehen, weil er mit seinen sechs Kindern hier auf keinen grünen Zweig kommt. Hätten ihm Steffen Kübitz (FDP), Sigrid Rößner (Linke), Joachim Kreyer (CDU), Cornelia Kraffzick (SPD) und Rainer Scheerschmidt (VIBT) an dem Abend den kleinsten Grund, eine tolle Idee oder wenigsten den Hauch einer Vision für Sondershausen geliefert, hätte er seine studierenden Söhne vielleicht überreden können, hier zu bleiben. Gerne hätte er an der "noch so verrückten Idee mitgearbeitet".
Aber so ging er enttäuscht nach Hause. Wer solche oder ähnliche Erwartungen hatte, musste enttäuscht sein. Denn fast jede Kritik der Bürger oder seiner Herausforderer bügelte Amtsinhaber Kreyer mit "hatten wir schon", "haben wir versucht", "hat nichts gebracht" ab. Da war es egal, ob es um die Auslastung der Gewerbegebiete oder Neuansiedlung auch kleinerer Firmen ging, einen besseren Internetauftritt der Stadt, die Begrüßung von Neubürgern, eine bessere Bürgerbeteiligung im Vorfeld von Rathausentscheidungen und so weiter. "Die Stadt hat ihre Hausaufgaben gemacht", "wir sind nicht zuständig" oder "wir sollten endlich aufhören uns schlecht zu reden" war von Kreyer viel zu oft zu hören. Schade.
Denn manche Vorschläge hätte Kreyer, der seit 22 Jahren Chef im Rathaus der Kreisstadt ist, ohne Gesichtsverlust aufnehmen und in einem fruchtbaren Miteinander weiterentwickeln können. Und da meine ich nicht nur bessere Bedingungen für Radwanderer in der Stadt, die Fritz Rasch forderte. Herausforderin Kraffzick hatte mit neuen Wegen in Sachen Kultur und Veranstaltungen in der Stadt sowie ihrer Forderung nach besseren und noch mehr Mindestlöhnen in der Wirtschaft oder auf dem Pflegesektor schon ganz gute Ansätze. Doch auch hier ließ sie sich viel zu leicht das Zepter von ihrem Chef Kreyer aus der Hand nehmen. So richtig verwundern muss einen das nicht. Denn wie will sich Kraffzick mit Kreyer jetzt einen echten Wahlkampf liefern, bei dem Wahrheiten auf den Tisch kommen und dringende Veränderungen beim Namen genannt werden, wenn sie nach der Wahl im Mai auf die CDU-Stimmen im Stadtrat angewiesen ist.
Denn auch wenn Kreyer längst nicht mehr der Macher mit Visionen ist, wenn er es denn je war, glaubt niemand daran, dass Kraffzick ihn vom Sessel schubst. Und da im Sondershäuser Stadtrat die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion über die Mehrheit der Stimmen verfügen, möchte Kraffzick im Mai zumindest wieder als Erste Beigeordnete und Vize-Bürgermeisterin gewählt werden. Da darf man vorher nicht zu sehr die Zähne zeigen und die CDU-Abgeordneten verärgern. Denn die könnten es sich dann anders überlegen und die Herausforderin von den Linken, Sigrid Rößner, gegen ihre Überzeugung zur Erste Beigeordneten wählen.
Bei der letzten Wahl vor sechs Jahren hatte die Linke weitaus mehr Stimmen bei der Bürgermeisterwahl geholt als die SPD. Und trotzdem wurde Kraffzick von CDU und SPD im Stadtrat ins Amt gehoben, nachdem der langjährige Stellvertreter von Kreyer, Wilhelm Schreier (SPD), sich den lukrativeren Job bei den Sondershäuser Stadtwerken gesucht hatte. Auch Rößner wird es nicht gelingen, Kreyer aus dem Amt zu drängen. Doch könnte sie dafür sorgen, dass es eine Stichwahl gibt. Und dann werden die Karten noch einmal ganz neu gemischt. Tut sich die Linke mit der SPD zusammen und gibt eine Wahlempfehlung ab, könnte es für CDU-Amtsinhaber Kreyer verdammt eng werden."
Renate Rusche / 13.04.12 / TA