Presseschau

MDR Thüringen-Journal, Sendebeitrag vom 13.2.:
Mitregieren auch unter fünf Prozent

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SpiegelOnline-Artikel: Fünf-Prozent-Hürde gekippt
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Netzzeitung.de:
Weitere Länder wollen Sperrklausel abschaffen
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Fünf-Prozent-Hürde wird auch in Thüringen fallen
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13.2.2008, DDP

Streit um Fünf-Prozent-Hürde - Grüne und FDP fordern nach Urteil des
Bundesverfassungsgerichts Abschaffung der Regelung in Thüringen


--Von David Rollik--

Erfurt/Karlsruhe (ddp-lth). Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein haben die Thüringer FDP und die Grünen ihre Forderung nach einer Abschaffung der Regelung im Freistaat bekräftigt. Grünen-Landessprecherin Astrid Rothe-Beinlich sagte am Mittwoch in Erfurt, mit der Entscheidung aus Karlsruhe «muss endlich auch Schluss sein mit der bislang in Thüringen praktizierten undemokratischen Einschränkung des Wahlrechts». Der FDP-Landesvorsitzende Uwe Barth betonte, die CDU sei nun "in der Pflicht und muss ihre jahrelange Blockadehaltung nun auf höchstrichterlichen Beschluss aufgeben».

«Es wäre ein Zeichen von Klugheit und Lernfähigkeit, wenn man nun schleunigst ein Gesetzgebungsverfahren einleitet, mit dem eine
verfassungskonforme Kommunalwahl 2009 in Thüringen gewährleistet wird», sagte Barth. Die FDP gehe davon aus, dass sich der Verfassungsgerichtshof der Karlsruher Entscheidung anschließen werde.

Die Landesregierung hatte die Fünf-Prozent-Klausel bislang verteidigt. Ein Sprecher des Justizministeriums sagte, er erwarte nun eine schnelle Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs. Bis
dahin werde die Regierung die Angelegenheit nicht kommentieren. Gleichwohl werde sich das Justizministerium die Begründung des
Bundesverfassungsgerichts genau ansehen, sagte der Sprecher.

Am Verfassungsgerichtshof ist derzeit ein Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen in
Thüringen anhängig. Ein FDP-Mitglied hatte nach Angaben eines Sprechers des Gerichtshofs vor dem Hintergrund einer Stadtratswahl vor dem Verwaltungsgericht Weimar gegen die Klausel geklagt. Das Gericht habe die Verhandlung ausgesetzt, um vom Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit der Regelung prüfen
zu lassen. Der Gerichtshof wiederum habe das Verfahren seinerseits bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ausgesetzt. Zum
zeitlichen Fortgang des Verfahrens konnte der Sprecher noch keine Angaben machen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch entschieden, dass die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein gegen das Grundgesetz verstößt. Die Sperrklausel verletze kleinere Parteien wie die Grünen in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb, hieß es. Für die Bundestags- und Landtagswahlen halten die Karlsruher Richter die Fünf-Prozent-Klausel aber für erforderlich. Gegen die Beibehaltung der Sperrklausel hatten die
schleswig-holsteinischen Grünen geklagt.

Die Rechtsexpertin der Thüringer Grünen, Daniela Hoffmann-Weber, sieht durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vorgegeben. Sie verstehe gut, dass die Thüringer Verfassungsrichter mit ihrer Entscheidung das Urteil aus Karlsruhe hätten abwarten wollen, sagte Hoffmann-Weber. Die Argumente des höchsten deutschen Gerichts müssten nunmehr die Grundlage für die Entscheidung in Weimar sein.

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14.02.2008 Thüringische Landeszeitung

Kleine Parteien schöpfen neue Hoffnung

ERFURT (tlz). Die kleinen Parteien in Thüringen, aber auch parteiunabhängige Einzelbewerber für Thüringer Kommunalparlamente schöpfen Hoffnung: Die Fünf-Prozent-Klausel bei den Wahlen zu Gemeinde- und Stadträten könnte auch im Freistaat schon bald der Vergangenheit angehören. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine entsprechende Vorschrift in Schleswig-Holstein kassiert. Beim Thüringer Verfassungsgericht sind entsprechende Klagen anhängig.

Der FDP-Landesvorsitzende Uwe Barth sieht jetzt Handlungsbedarf, um in Thüringen eine verfassungsmäßige Kommunalwahl 2009 zu garantieren. Thüringen ist eines der letzten Länder, in denen diese nun anerkanntermaßen verfassungswidrige Regelung noch gelte, sagte er der TLZ. "Die CDU ist in der Pflicht und muss ihre jahrelange Blockadehaltung nun auf höchstrichterlichen Beschluss hin aufgeben." Auch die Grünen sind sich sicher: Die Fünf-Prozent-Hürde wird fallen.
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14.02.2008 MDR Thüringen Journal

Bundesrichter verwerfen Fünf-Prozent-Hürde

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt. Die Richter begründeten dies vor allem mit der Direktwahl der Bürgermeister und Landräte, wie sie auch in Thüringen praktiziert wird.

Das Gericht gab - zum letzten Mal in seiner Funktion als schleswig-holsteinisches Verfassungsgericht - einer Klage der Grünen und der Linken statt, die zu Lasten kleiner Parteien und Bürgerinitiativen die Chancengleichheit verletzt sahen.

Auch die Verfassungsrichter sahen nun eine ungleiche Gewichtung der Wählerstimmen. Anders als bei Landtags- oder Bundestagswahlen sei die Sperre kleinerer Parteien für das Funktionieren der kommunalen Parlamente nicht nötig, da seit Mitte der 1990er-Jahre die Bürgermeister und Landräte direkt gewählt werden.

Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigten zudem, dass die Kommunen auch ohne diese Klausel funktionsfähig seien, hieß es. Die Sperre gilt außer in Schleswig-Holstein noch im Saarland und in Thüringen sowie in Berlin, Hamburg und Bremen. In Rheinland-Pfalz gibt es seit 1989 eine "Wahlzahl" von 3,03 Prozent.

Debatte in Thüringen
Für Thüringen ist das aktuelle Urteil von einiger Bedeutung, da der Verfassungsgerichtshof in Weimar seine Entscheidung über eine gleichartige Klage bis zu dem Urteil aus Karlsruhe zurückgestellt hatte. Von dem Gericht war allerdings zunächst noch keine Stellungnahme zu dem Verfahren zu erhalten.

Auch das Erfurter Justizministerium wollte die Entscheidung vorerst nicht kommentieren. Das Urteil sei nicht bindend für Thüringen, sagte Sprecher Ralf Wilms. Karlsruhe habe hier nicht als das höchste Bundesgericht entschieden, sondern als Verfassungsgericht für Schleswig Holstein. Ob in Thüringen noch vor der Kommunalwahl 2009 entschieden werde, sei abzuwarten.

Nach Ansicht der FDP und der Grünen sind nun jedoch die Weichen gestellt: "Die Fünf-Prozent-Hürde wird auch in Thüringen fallen", sagte der Generalsekretär der Landes-FDP, Patrick Kurth. Wie die Grünen forderte er eine zügige Wiederaufnahme des Verfahrens in Weimar.

Klagen von FDP und Grünen
In Thüringen waren die Liberalen und auch die Grünen gegen das Kommunalwahlergebnis 2004 vor Gericht gezogen. Nach Ansicht der FDP ist klar, dass auch das Landesverfassungsgericht zu Gunsten ihrer Klage entscheiden müsse. Die Argumente der Karlsruher Richter seien fast identisch mit den eigenen.

Kurth meinte zwar, dass Fünf-Prozent-Hürden auf Landes- und Bundesebene nötig sei, weil es für die Wahl der Ministerpräsidenten und Kanzler belastbare Mehrheiten brauche. Dies gelte jedoch nicht für Kommunen, deren Spitzen seit 1994 direkt gewählt werden. Daher müsse das Wahlgesetz von 1993 geändert werden.

Vor allem die FDP-Politikerin Maria-Elisabeth Grosse war nach der Weimarer Stadtratswahl 2004 gegen das Ergebnis vorgegangen. Sie hatte 718 gültige Stimmen erhalten. Da ihre Partei aber in Weimar nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kam, zog der letzte Bewerber auf der CDU-Liste mit 366 Stimmen in das Kommunalparlament ein, das Schlusslicht der PDS sogar mit nur 197 Stimmen.

Auch die Landessprecherin der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich,
zeigte sich überzeugt, dass die Fünf-Prozent-Hürde fallen werde. Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Daniela Hoffmann-Weber, sagte zu dem Urteil, dass es die Entscheidung der Weimarer Richter beeinflussen müsse: Das Kommunalwahlgesetz solle rechtzeitig vor der Kommunalwahl 2009 geändert werden.

"Wichtiges Urteil"
Die Linke sprach von einem wichtigen Urteil für die kommunale Bürgerbeteiligung. Der Bundeswahlkampfleiter und Spitzenkandidat der Partei für die Thüringer Landtagswahl 2009, Bodo Ramelow, sagte: "Die Fünf-Prozent-Hürde auf kommunaler Ebene ist seit langem nicht mehr zeitgemäß." Das Urteil stärke die Rechte der Bürger.

Von der SPD hieß es, es sei gut für die Kommunalpolitik, wenn
auch kleine Parteien in den Kreistagen und Stadträten vertreten seien. CDU-Generalsekretär Mike Mohring befürchtet dagegen, dass die Arbeitsfähigkeit größerer Kommunalparlamente leiden könnte. Außerdem bekämen Extremisten mehr Chancen.
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14.02.2008 Freies Wort

Wie Karlsruhe vor allem die kleinen Parteien glücklich macht

Von Eike Kellermann

Die kommunale Fünf-Prozent-Hürde steht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auch in Thüringen vor dem Aus.

Karlsruhe/Erfurt - Kaum war das Urteil der Verfassungshüter bekannt geworden, gingen
die Freudenschreie über den Äther. Von "Freude und Erleichterung" war etwa bei den Thüringer Grünen in einer Mitteilung des Landesvorstandes die Rede. FDP-Landeschef Uwe Barth, etwas abgeklärter in der Wortwahl, "begrüßte" zumindest das Urteil.

Was die beiden kleinen Parteien in gute Laune versetzte, war der gestern verkündete Richterspruch aus Karlsruhe, mit dem das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen kippte. Formal bezieht sich das Urteil zwar nur auf das Nord-Bundesland Schleswig-Holstein. Doch ernsthafte Zweifel, dass nun auch in Thüringen die Sperrklausel abgeschafft wird, bestehen eigentlich nicht mehr.

Kommunalordnung schnell ändern
Das sieht die Landtags-Opposition aus SPD und Linkspartei so und verlangte eine schnelle Änderung der Kommunalordnung. Das weiß wohl auch die regierende CDU, die sich allerdings noch ein bisschen ziert. Man werde sich genau die Urteilsbegründung aus Karlsruhe anschauen, sagte auf Nachfrage ein Sprecher von Justizminister Harald Schliemann, der bisher für die Sperrklausel eintrat. Man warte erst einmal ab, da es noch das Verfahren vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof gebe. Die Verfassungsrichter in Weimar waren sowohl von Grünen als auch von FDP wegen der Sperrklausel angerufen worden.

Eine Entscheidung hatten sie mit Hinweis auf das in Karlsruhe laufende Verfahren vertagt. Nun wird ihnen aller Voraussicht nach kein durchschlagendes Argument mehr für die Fünf-Prozent-Hürde einfallen. Extremisten fernhalten, Chaos im Gemeinderat verhindern? Das sind allenfalls (umstrittene) politische Beweggründe, die verfassungsrechtlich keinen Erfolg mehr haben dürften.

"Das Gericht wird nun beraten und über die weitere Vorgehensweise entscheiden", sagte eine Sprecher auf Nachfrage. Einen Zeitplan wollte er nicht nennen. Die Bündnisgrünen waren da forscher: "Wir erwarten einen Verfahrensabschluss noch vor dem Sommer 2008", sagte die rechtspolitische Sprecherin Daniela Hoffmann-Weber.

Zitterpartie wäre vorbei
Je eher die kleinen Parteien Klarheit haben, desto früher können sie mit der Planung für die Thüringer Kommunalwahlen 2009 beginnen. Die Zitterpartie für Grüne, FDP oder Freie Wähler, ob sie den Einzug in Kreistage und Gemeinderäte schaffen, ist bei einem Fall der Sperrklausel vorbei. Thüringen gehört ohnehin zu den wenigen Bundesländern, in dem kleine Parteien oder Gruppierungen noch immer mit dieser Hürde ins Straucheln gebracht werden.
Eines freilich sollte den in Vorfreude schwelgenden demokratischen Parteien schon jetzt klar sein: An den Rändern rechts und links von ihnen werden künftig wohl auch Abgeordnete sitzen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings, dass solch ein Schock heilsam sein kann. Die Demokraten müssen sich mehr anstrengen und die Extremisten kehren entweder auf den Pfad politischer Tugend zurück oder blamieren sich dermaßen, dass für die Wähler feststeht: Einmal und nie wieder.

Solche Entzauberung ist wohl die beste politische Bildung. Doch bevor all dies möglicherweise eintritt, müssen die Thüringer Verfassungsrichter den Schritt nachvollziehen, den ihre Bundeskollegen bereits gegangen sind. Über das Urteil freuen, durften sich gestern nicht nur die kleinen Parteien, sondern auch das Verwaltungsgericht Weimar. Auf die Klage einer FDP-Kandidatin hatte es 2005 die kommunale Fünf-Prozent-Hürde in Thüringen für verfassungswidrig erklärt, unter anderem weil sie gegen das Prinzip der Stimmengleichheit bei Wahlen verstoße. Die roten Roben in Karlsruhe argumentierten nun ähnlich.
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13.02. 2008 Ostthüringer Zeitung

Kommunalwahl ohne Klausel

Wir haben das Urteil mit Freude und Erleichterung vernommen.

Astrid Rothe-Beinlich, Vorsitzende von Bündnis90/Grüne in Thüringen Nicht nur im Norden wird über den Fall der Fünf-Prozent-Hürde frohlockt
Karlsruhe/Erfurt (dpa/OTZ). Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die Fünf-Prozent-Hürde bei schleswig- holsteinischen Kommunalwahlen für verfassungswidrig erklärt. Doch nicht nur im Norden wird frohlockt, auch die Opposition in Thüringen rechnet sich nun bessere Chancen aus.

Denn die Klausel bei Kommunalwahlen verletze gerade die Chancengleichheit kleiner Parteien, urteilten die Richter in Karlsruhe. Das Gericht gab einer Organklage der Grünen und der PDS/Linken statt. Das Urteil gilt formal nur für das nördliche Bundesland, ist aber möglicherweise auf Thüringen und das Saarland übertragbar, die als einzige weitere Flächenländer eine Fünf- Prozent-Sperrklausel auf kommunaler Ebene haben.
Nach den Worten der Richter führt die Bestimmung, nach der für den Einzug ins Kommunalparlament mindestens fünf Prozent der Stimmen erforderlich sind, zu einer Schieflage bei der Berücksichtigung der Wählerstimmen. Scheitert eine Partei an der Hürde, bleiben die Stimmen ihrer Wähler letztlich ohne Erfolg. Diese Ungleichgewichtung sei nicht gerechtfertigt. Anders als bei Landtags- oder Bundestagswahlen sei die Sperre für Splitterparteien nicht für die Funktionsfähigkeit der Parlamente erforderlich - schon deshalb, weil die Gemeindevertretungen und Kreistage keine Gesetze erließen, sondern vorwiegend Verwaltungsaufgaben wahrnähmen.

Hauptargument des Gerichts - das am Mittwoch wohl letztmalig in seiner Funktion als schleswig-holsteinisches Verfassungsgericht auftrat - ist die Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten 1995. Damit seien für die Wahl der Rathaus-Chefs keine stabilen Mehrheiten mehr erforderlich; Splitterparteien könnten die Funktionsfähigkeit der Gemeindeverwaltung nicht gefährden. Außerdem belegten die Erfahrungen in anderen Bundesländern, dass die Kommunen auch ohne Fünf-Prozent-Klausel funktionsfähig seien.

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof - auch im Freistaat werden Bürgermeister direkt gewählt - hatte eine Entscheidung über eine gleichartige Klage bis zur Entscheidung aus Karlsruhe zurückgestellt. Die Sperre gilt auch in Hamburg und Bremen, die aber als Stadtstaaten mit den Flächenländern nur begrenzt vergleichbar sind. In Berlin gilt auf kommunaler Ebene eine 3-Prozent-Hürde. In Rheinland-Pfalz gilt seit 1989 eine "Wahlzahl von 3,03 Prozent.

Der Zweite Senat unter Vorsitz von Winfried Hassemer wies zudem das Argument zurück, mit der Klausel würden rechtsextreme Parteien aus den Kommunalparlamenten ferngehalten. Die Sperre treffe nicht nur unerwünschte Parteien, sondern auch kommunale Wählervereinigungen und Einzelbewerber. Deren Chancen müssen laut Gericht gewährleistet sein, weil die politische Arbeit in den Städten und Gemeinden nicht nur Parteien vorbehalten sein dürfe, sondern auch Wählergruppen mit ausschließlich kommunalpolitischen Zielen einbeziehen müsse.

Die Thüringer Grünen hoffen nun , dass der Verfassungsgerichtshof in Weimar über eine ähnliche Klage noch bis Sommer 2008 entscheidet. Rechtzeitig vor den Kommunalwahlen 2009 müsse dann auch noch das Gesetz durch den Landtag geändert werden.

Auch FDP-Landeschef Uwe Barth sieht "schnellen Handlungsbedarf, um in Thüringen eine verfassungsgemäße Kommunalwahl zu garantieren". "Die CDU ist in der Pflicht und muss ihre jahrelange Blockadehaltung nun auf höchstrichterlichen Beschluss aufgeben", sagte der Bundestagsabgeordnete. (Az: 2 BvK 1/07) www.bundesverfassungsgericht.de
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13.02.2008 Thüringer Allgemeine
Von Falk Heunemann

Thüringer Prozent-Hürde wackelt

Nachdem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen für verfassungswidrig erklärt hat, dürfte sie bald auch in Thüringen wegfallen.

ERFURT. Das Thüringer Justizministerium übte sich erst einmal in Geografie: Gestern, lässt der Sprecher des Ministers mitteilen, sei eine Verfassungsgerichtsentscheidung in Karlsruhe gefallen, und nicht in Weimar.

Für die Landesregierung, soll das heißen, zählt nur Letzteres.

Dort brütet nämlich seit mehr als zwei Jahren der Thüringer Verfassungsgerichtshof über einer Klage gegen die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen. Eine FDP-Politikerin, die es 2004 durch die Hürde es nicht in den Stadtrat geschafft hatte, hatte dagegen geklagt.

Nach dem gestrigen Tag dürfte das Urteil aus Weimar jedoch bald zu erwarten sein. Denn die dortigen Richter hatten das Verfahren extra ausgesetzt, um die Entscheidung aus Karlsruhe zu berücksichtigen.

Und das dortige Bundesverfassungsgericht - das in diesem Fall als Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein agierte - lässt ihnen wohl wenig Spielraum: Die Hürde, heißt es ihrem Urteil, ist auf kommunaler Ebene nicht zulässig, sie benachteilige kleinere Parteien und entwerte die Stimmen ihrer Wähler. Geklagt hatten die Grünen und die Linkspartei gegen das Kommunalwahlgesetz von Schleswig-Holstein. Gute Gründe, so die Richter, für die Sperrklausel seien "nicht ersichtlich".

Das sah der hiesige Justizminister Harald Schliemann (CDU) bislang anders. Die Sperrklausel, hatte er stets referiert, verhindere eine Zersplitterung der Gemeinderäte und damit deren Arbeitsunfähigkeit. Zudem könnten insbesondere Rechtsextremisten dadurch aus ihnen fern gehalten werden. Damit hatte auch die Kieler Regierung in Karlsruhe argumentiert.

Doch beide Argumente werden von den Karlsruher Richtern abgelehnt: Eine Arbeitsunfähigkeit drohe nicht, da in Kommunen ja die Bürgermeister und Landräte direkt gewählt werden. Schleswig-Holstein hatte diese Direktwahl, wie es sie in Thüringen und den meisten anderen Bundesländern gibt, 1995 eingeführt.

Und auch die Nazi-Abwehr könne nicht über die Fünf-Prozent-Klausel erfolgen. Um Extremisten zu bekämpfen, gebe es das Parteienverbotsverfahren.

Der Jenaer Verfassungsexperte Michael Brenner erwartet deshalb, dass auch in Thüringen bald die Hürde fallen wird. Andere Bundesländer kämen ja auch ohne sie aus, "und die Funktionsfähigkeit der Gemeinderäte hat dort nicht gelitten", so der Professor der Universität Jena. Zwölf der 16 Bundesländer haben sie abgeschafft.

Dass die Hürde nun auch auf Bundes- oder Landesebene kippt, glaubt Brenner nicht. Dort müsse auch künftig eine lähmende Zersplitterung des Parlaments in Kleinstfraktionen durch die Sperrklausel verhindert werden. Im Bundestag und Landtag würden immerhin Gesetze beschlossen und der Regierungschef gewählt, in Gemeinden dagegen nur verwaltet.

Das Thüringer Verfassungsgericht konnte gestern nicht sagen, wann es eine Entscheidung zur 5-Prozent-Hürde fällt. Es sei, so ein Sprecher, aber das älteste Verfahren, mit dem sich die Richter derzeit beschäftigen.

Und das wolle man endlich vom Tisch haben.
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13.02.2008 Freies Wort

Fünf-Prozent-Hürde gekippt

Erfurt/Karlsruhe - Freude und Erleichterung bei den Thüringer Grünen nachdem am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt.

Auch die FDP, die in gleicher Sache beim in Thüringer Verfassungsgerichtshof geklagt hatte, erklärte, jetzt müsse das Verfahren am Verfassungsgericht in Weimar zügig wieder aufgenommen werden. Nach Ansicht der Linken wird mit dem Urteil vom Mittwoch die direkte Demokratie vor Ort gestärkt. Von der SPD hieß es, es sei gut für die Kommunalpolitik, wenn auch kleine Parteien in Kreistagen und Stadträten vertreten seien.

Ein Sprecher des Justizministeriums sagte gegenüber MDR 1 Radio Thüringen, das Urteil sei nicht bindend für Thüringen. Das Bundesverfassungsgericht habe nicht als höchstes bundesdeutsches Gericht entschieden, sondern quasi als Landes-Verfassungsgericht Schleswig-Holsteins.

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hatte eine Entscheidung über eine gleichartige Klage bis zur Karlsruher Entscheidung zurückgestellt. Astrid Rothe-Beinlich, Landessprecherin der Thüringer Bündnisgrünen, sagte zu dem Urteil: "Wir haben dies immer wieder betont: Die Fünf-Prozent-Klausel verletzt die Chancengleichheit. Sie ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn dies zur Funktionsfähigkeit der Volksvertretung zwingend nötig ist. Das ist auf der kommunalen Ebene nicht der Fall."

Eine Klage der schleswig-holsteinischen Grünen gegen die Beibehaltung der Sperrklausel, die es seit 1959 im Kommunalwahlgesetz des Landes gibt, war damit in Karlsruhe erfolgreich. Der Klage war auch die Linkspartei beigetreten.

Zur Begründung der Entscheidung des Zweiten Senats heißt es, die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen die Chancengleichheit der Parteien. Hinreichende Gründe für diesen Eingriff seien nicht ersichtlich. Nach den Worten der Karlsruher Richter führt die Bestimmung, nach der für den Einzug ins Kommunalparlament mindestens fünf Prozent der Stimmen erforderlich sind, zu einer Ungleichgewichtung der Wählerstimmen. Anders als bei Landtags- oder Bundestagswahlen sei die Sperre für Splitterparteien für die Funktionsfähigkeit der Parlamente nicht erforderlich.

Die Sperre gilt außer in Schleswig- Holstein nur noch im Saarland und in Thüringen sowie in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen.

Die Thüringer Grünen-Landessprecherin setzt nun darauf, dass die Karlsruher Argumente eine Entscheidungsgrundlage für den Verfassungsgerichtshof in Weimar bildeten und in Thüringen zügig zu einem Beschluss gekommen werde. (red)

14.02.2008 Pressestelle