TLZ-Interview

Erfurt. Thüringens FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzender Uwe BARTH gab der Thüringischen Landeszeitung (heutige Ausgabe) folgendes Interview. Die Fragen stellte Hartmut Kaczmarek.

Frage: Wie oft werden Sie im Augenblick als FDP-Landeschef bemitleidet?

BARTH: Bemitleidet nicht. Aber es gibt schon viele, die unsere schwierige Situation sehen. Zum Glück freut es nicht alle.

Frage: Wie viele von denen, denen Sie begegnen, freut die derzeitige Situation der FDP auf Bundesebene?

BARTH: Ich fürchte mehr als es offen zugeben.

Frage: Gibt es Hoffnungszeichen?

BARTH: Konkret besteht für mich die Hoffnung darin, dass die Wählerinnen und Wähler erkennen, dass Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und auch Thüringen nicht das Saarland sind.

Frage: Das heißt?

BARTH: Dass wir den Bürgern klarmachen können, dass sie die konkrete Arbeit vor Ort bewerten. Und ich denke, da brauchen wir uns in Thüringen nicht zu verstecken.

Frage: In Nordrhein-Westfalen erleben wir ein Comeback des früheren Generalsekretärs Christian Lindner. Sie fanden seinen Abgang seinerzeit nicht glücklich, wie bewerten Sie sein Comeback?

BARTH: Für die FDP ist ein Erfolg in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein wichtig. Das wünsche ich ihm. Personalentscheidungen anderer Landesverbände habe ich nicht zu kommentieren.

Frage: Die FDP setzt jetzt in Berlin auf stärkere Abgrenzung von der CDU. Ist das die richtige Strategie?

BARTH: In einer Koalition muss der Grundsatz gelten: Leben und leben lassen. Man muss sich auch gegenseitig Erfolge gönnen. Das gilt für den großen und den kleinen Partner.

Frage: Ist die FDP die neue Anti-Schulden-Partei, nachdem sie vorher sich als die Steuersenkungspartei bundesweit profilieren wollte?

BARTH: Anti-Schulden-Partei sind wir nicht nur in Thüringen schon seit längerem. Es hat nur bisher nicht so weit vorne auf der öffentlichen Agenda gestanden.

Frage: Schuldensenkung und Steuersenkung schließen sich doch aus?

BARTH: Grundsätzlich nicht. Offenkundig ist es aber so, dass Steuersenkungen in der laufenden Legislatur nicht möglich sind. Dann muss man das auch erkennen.

Frage: Hat die FDP das zu spät erkannt?

BARTH: Womöglich ja.

Frage: Wenn Lindner in Nordrhein-Westfalen ein achtbares Ergebnis einfährt, ist er dann ein ernsthafter Konkurrenz für Parteichef Rösler?

BARTH: Das glaube ich schon deshalb nicht, weil er angekündigt hat, in Düsseldorf bleiben zu wollen. Erfolgreich kann ein Bundesvorsitzender aber nur arbeiten, wenn er in Berlin präsent ist.

Frage: Ein bisschen erfreulicher sieht es in Thüringen aus. Was ist der größte Erfolg der FDP in der ersten Hälfte der Legislatur?

BARTH: Wir haben uns im Landtag als die bürgerliche Fraktion etabliert. Ohne unsere Stimmen wäre auch Frau Lieberknecht am Anfang der Legislatur nicht zur Ministerpräsidentin gewählt worden.

Frage: Auf welchen Gebieten ist Ihnen denn die Profilierung besonders gelungen?

BARTH: Zuerst beim Haushalt. Hier haben wir uns ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet, weil wir als einzige konkrete Sparvorschläge unterbreiten.

Frage: Sie sind für Ihre mehr als 700 Anträge aber auch belächelt worden.

BARTH: Jeder einzelne dieser Anträge wäre, bei gutem Willen, umsetzbar gewesen.

Frage: Können Sie dafür ein Beispiel geben?

BARTH: Warum muss ein Ministerium einen Haushaltstitel haben, in dem 100 Euro für ein Gutachten stehen. Dafür arbeitet ein Gutachter nicht einmal eine halbe Stunde. Für mich handelt es sich hier um Verschiebebahnhöfe, die wir an vielen anderen Stellen finden.

Frage: Sie müssten sich doch eigentlich mit dem Finanzminister gut verstehen?

BARTH: Ich verstehe mich mit Herrn Voß persönlich gut. Und auch politisch springen wir ihm eher bei als Teile seiner Koalition.

Frage: Deutlich Gegenposition beziehen Sie auch in der Wirtschaftspolitik.

BARTH: Matthias Machnig, der Minister für alles und jedes, wie es in einem Leserbrief der TLZ hieß, macht Thüringen in vielen Dingen zum Versuchsfeld sozialdemokratischer Kampfpolitik, beispielsweise bei den Themen Leih- und Zeitarbeit. Zum anderen diskreditiert er in teilweise unanständiger Weise die Thüringer Wirtschaft.

Frage: Woran machen Sie das fest?

BARTH: Wenn er den Eindruck erweckt, das übliche Geschäftsmodell in Thüringen wäre Ausbeutung. Und Betriebe ohne Betriebsrat wären demokratiefreie Zonen.

Frage: Was haben Sie gegen Betriebsräte?

BARTH: Nichts. Aber niemand soll zur Gründung von Betriebsräten gezwungen werden.

Frage: Vernachlässigt Machnig weiter den Mittelstand?

BARTH: Eindeutig ja. Er fühlt sich als Mann, der die großen Räder dreht. Davon gibt es aber in Thüringen wenige. Das Thüringer Uhrwerk läuft mit vielen kleinen Rädern, die müssen funktionieren. Die Kleinteiligkeit der Thüringer Wirtschaft kommt in seinem Weltbild nicht vor.

Frage: Wird die CDU immer sozialdemokratischer?

BARTH: Ja. Ich finde das bedauerlich. Aber die CDU ist auch in Bedrängnis: Denn es gibt eine Mehrheit links neben der CDU. Und das beinhaltet ein gewisses Erpressungspotenzial.

Frage: Wo gibt die CDU Kernbereiche Ihrer Politik auf?

BARTH: In den Bereichen Haushalt, Wirtschaft und Bildung.

Frage: Fördert die Ministerpräsidentin diesen Kurs?

BARTH: Sie lässt es geschehen, sie führt nicht. Es ist wohl kein Wunder, dass diese Koalition zwei Seelsorger an der Spitze hat.

Frage: Aber das eröffnet doch auch Chancen?

BARTH: Es führt dazu, dass wir teilweise konservative Positionen einnehmen. Beispielsweise wenn wir uns klar für das gegliederte Schulsystem positionieren. Ein Antrag, der genau dies beinhaltet, kam nicht durch. Er hat nur sieben Stimmen bekommen.

Frage: Was ist von der FDP in den nächsten Jahren zu erwarten?

BARTH: Kontinuität. Wir werden unsere Themen weiter entwickeln: Haushalt, Bildung, Wirtschaft. Kurzfristig wirkende populistische Thesen sind nicht unser Ding.

30.03.2012 Pressestelle