Newsletter FDP Thüringen

Wenn ich die Berichte über die Ministerpräsidentin-Sommerreise lese und ihre imposanten Interviews der Tageszeitung entnehme, tauchen Zweifel am bürgerlichen Zustand der Union auf. Gut, ihr kurzer Hieb auf die FDP heute ist in Anbetracht der unangenehmen Fragen und v.a. ihrer bemerkenswerten Antworten als Notwehr, bestenfalls als missglückte Ablenkung zu verstehen. Und dennoch ist geradezu angsterfüllend, welche Wege die Lieberknecht-Machnig-Koalition geht. In Thüringen macht sich eine Richtung breit, die man zusammenfassend als machterhaltenden Konservativ-Sozialismus bezeichnen könnte.



Der Wirtschafts- und Eigenverantwortungsgedanke der Thüringer CDU scheint mittlerweile einigermaßen vollständig amputiert zu sein. Wenn Wirtschaftsminister Rösler die Realität in Griechenland beschreibt und die Ministerpräsidentin dies als Populismus kritisiert, muss sie ein deutlich anderes Weltbild haben als die christlich-bürgerliche Koalition.



Aber Frau Lieberknecht geht im Interview noch weiter. Sie phantasiert über die Thüringer Liberalen und befindet eine Distanz zu den hiesigen Problemen. Eine forsche Aussage angesichts des CDU-Kontos politischer "Leistungen" seit 2009. Die SPD macht sich den Staat zur Beute und die Union winkt freundlich lächelnd dazu. Hier eine kleine Auswahl:

- Schwarz-Rote Koalition: Eine eigene Mehrheit hatte Frau Lieberknecht bereits bei ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin nicht. Die FDP stellte sich seinerzeit im dritten Wahlgang auf ihre Seite. So verlässlich arbeiten die schwarzen und roten Genossen von Anfang an.

- Bildungspolitik: Das Gleis, auf dem Thüringen unterwegs ist, führt weg von der Leistungsorientierung hin zur Gleichmacherei. Nach und nach werden z.B. Schul-Noten und Sitzenbleiben abgeschafft und das gegliederte Schulsystem durch eine Einheitsschule ersetzt. Zu diesen und anderen "Reformen": Klarer Widerspruch der Thüringer Liberalen! Thüringens Schüler gehören nicht auf das Abstellgleis. Bislang konnten wir auf unser Schulsystem - wenn auch Änderungen notwendig sind - stolz sein. Nur der Himmel und die CDU-Strategie wissen, warum dies jetzt widerstandslos geändert wird. Thüringen hilft diese Unionspolitik nicht.

- Berufsbefähigung: Wer ins erste Ausbildungsjahr startet oder ein Hochschulstudium aufnimmt, wird sich Dank Union und ihrem Sozi(u)s zunächst auf das Nachholen von Schulstoff einstellen müssen. Der kleinteiligen Wirtschaft in Thüringen entstehen dadurch Schäden und Wettbewerbsnachteile. Die FDP setzt weiterhin auf ein leistungsorientiertes Bildungssystem.

- Haushaltspolitik: Erst will die CDU-Finanzministerin Walsmann nicht sparen. Dann setzt der Sinneswandel ein. Sie kann sich nicht durchsetzen und wird strafversetzt. Der neue Mann aus Sachsen schlägt sich besser, wird aber wieder durch die SPD ausgebremst. Die Regierung verabschiedet sich ohne klare Linie in die Sommerferien, die Probleme werden aufgeschoben. Die FDP hat jedes Jahr klare Vorschläge vorgelegt, wo und wie gespart werden kann. Die Union schafft nicht einmal bis zu den Sommerferien die Vorlagen für das 1. Quartal. (Man stelle sich vor, im Bund herrsche ein solches Chaos …).

- Steuerpolitik: Bei der Abmilderung der kalten Progression schloss sich unser Land im Bundesrat einer traurigen Koalitionen der Belastungen mit Neigung zum kreativlosen Politikboykott an. Die Steuerlast in Deutschland ist auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren. Gerade die Thüringer Arbeitnehmerschaft ist von der kalten Progression erheblich betroffen. Die Thüringer Union geht den sozialistischen Plan der Belastung. Das muss sich ändern.

- Wirtschaftspolitik I: Die Posse um das Vergabegesetz bleibt. Thüringen ist Testfeld für verschiedenste sozialdemokratische Kampfprojekte. War das Vergaberecht zuvor schon kompliziert, kamen jetzt noch ideologisch gesteuerte, vergabefremde Kriterien hinzu. Da war es nur ein schwacher Trost, dass das Gesetz letztendlich soweit ausgehöhlt wurde, dass es kaum noch Anwendung findet. Offensichtlich spielt sozialdemokratische Symbolpolitik eine größere Rolle als reale Wirtschaftspolitik für den Freistaat. Gleiches gilt für das Ladenöffnungsgesetz. Erst wurde ein ideologisch motiviertes Gesetz erlassen. Weil die Umsetzung aber zu negativen Effekten führen würde, verzichtet man gleich auf eine passende Verordnung und die entsprechende Kontrolle des Gesetzes. Die FDP widersetzt sich der Gängelung der Wirtschaft. Die Union schaut bestenfalls weg.

- Wirtschaftspolitik II: Thüringer Politiker wollen das ganz große Rad in der Wirtschaft drehen. Der Staat soll als Retter für fehlerhafte Geschäftsmodelle herhalten. Amerikanischen Großkonzernen wird im vorauseilendem Gehorsam das Steuergeld der Thüringer angeboten, die hart arbeitenden Thüringer Unternehmer müssen sich im Gegenzug öffentlich als Ausbeuter beschimpfen lassen. Wenn dann auch noch Fördermittel eher nach ideologischen denn nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vergeben werden, ist der Weg zur Staatswirtschaft nicht mehr weit. Dem tritt die FDP offensiv entgegen. Unter Ministerpräsident Vogel wäre dies übrigens auch undenkbar gewesen.

- Mindestlöhne: Der Frage, wie sich gesetzlicher Zwang mit der Tarifautonomie vertragen soll weicht die Ministerpräsidentin drastisch aus. Hier geht es wohl eher um Profilierung auf Bundesebene durch unqualifizierte Äußerungen und nicht hilfreiche Initiativen. Symbolpolitik eben. Unbeantwortet lässt Frau Lieberknecht die Frage, wie hoch der Mindestlohn sein soll oder wer ihn verhandelt. Denn in beiden Fällen wäre Thüringen Verlierer. Schwäbische oder bayrische Mindestlöhne, durch Großkonzerne ausverhandelt führen zum weiteren Ausbluten des Freistaates. Und anders wird es bei flächendeckenden Mindestlöhnen nicht werden.

- Gesellschaftspolitik / Aufarbeitung: Thüringen war bundesweit als Vorreiter für Aufarbeitung bekannt. Ausgerechnet Thüringen (!) verweigerte seine Zustimmung zu einer Fortsetzung der Stasi-Aufarbeitung. Mit ihrem Verhalten im Bundesrat hat die schwarz-rote Landesregierung jedoch ihre völlige Orientierungslosigkeit in politischen Wertefragen offenbart. Das Gesetz kam trotzdem, weil etwa Hamburg (Alleinregierung SPD) oder Baden-Württemberg (Grün-Rot) im Bundesrat dafür stimmten. In diesem Fall war die Union gar peinlich für den Freistaat.

- Landespolitik: Beim Ministergesetz entdeckte die Union ihr Herz für die Sozialdemokraten. Weil sich die neu in die Regierung eingetretenen SPD-Minister ihre Pfründe bei der Altersversorgung sichern wollten (Kosten für den Thüringer Steuerzahler: bis zur 2,5 Millionen Euro), wurde die Reform des Ministergesetzes auf die lange Bank geschoben. Zu Recht wurde das in Thüringen als Selbstbedienungsmentalität wahrgenommen.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Der Gedanke bleibt: Die Union in Thüringen hat Maß und Mitte verloren. Dies liegt v.a. an der Führung ganz oben. Viele Unionsmitglieder tragen diesen Ungeist nur widerwillig oder stumm mit. Dass ihre Mehrheiten durch den massiven Linksschwenk und einer massiven Verteilungsmentalität nicht halten, zeigen die letzten Kommunalwahlen. Die Union in Thüringen sollte den Menschen Perspektiven zeigen. Ihre Politik des Machterhalts führt zu drastischem Machtverlust.

Die FDP steht für nach wie vor für die Interessen der Menschen in Thüringen, für einen Geist der Freiheit, der Leistungsgerechtigkeit und Selbstverwirklichung. Thüringen kann aus eigener Kraft viel schaffen. Schaufensterpolitik gehört nicht dazu.

Schicken Sie uns Beispiele, warum und wann Sie sich zuletzt über die Landesregierung aufgeregt haben. Die Landtagsfraktion und die Landesgeschäftsstelle freuen sich auf Ihre Anmerkungen.

In diesem Sinne, sommerliche Grüße

Ihr Patrick Kurth, MdB

Generalsekretär

26.07.2012 Pressestelle