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Uwe Barth
Uwe Barth

Sehr geehrter Herr Kollege,
"Die DDR war kein Unrechtsstaat", so die Überschrift eines Interviews mit Ihnen,
welches in der "Südthüringer Zeitung" vom 26.02. veröffentlicht ist. Da es von Ihnen
kein mir bekanntes Dementi oder einen Widerspruch zu den Äußerungen gibt, muss
ich wohl davon ausgehen, dass Sie korrekt zitiert werden.
Ihre pseudojuristisch verquasten Rechtfertigungs- und Beschönigungsversuche
könnte man für lächerlich halten, würden sie nicht in krassem Widerspruch zu dem
von vielen Menschen in der DDR Erlebten und Erlittenen stehen und müsste man
nicht befürchten, dass Menschen Ihres Schlages ernsthaft den Versuch unternehmen,
in Thüringen und in Deutschland an die Macht zu kommen.


Hätte es noch eines einzigen Beweises bedurft, wes" Geistes Kind Sie und viele Ihrer
Genossen sind (vielleicht nicht alle, aber denen muss es erst recht bewusst gemacht
werden), mit diesem Interview ist er erbracht. Ganz ernsthaft: vielen Dank dafür, viel
besser hätte das keiner ihrer Mitbewerber bloßstellen können!
Die DDR war kein Unrechtsstaat, weil es schwer fassbar ist, was dieser Begriff
aussagen soll? Sie, Herr Ramelow, haben keine Ahnung. Das kann ich Ihnen nicht
vorwerfen, dafür können Sie nichts. Aber anstatt darüber froh zu sein, maßen Sie
sich auch noch ein Urteil an.
Fragen Sie doch mal diejenigen, die kein Abitur machen durften, weil ihre Eltern
Akademiker waren. Oder weil sie nicht an der Jugendweihe teilnehmen wollten,
sondern an der Konfirmation. Fragen Sie diejenigen, die im Rahmen der Aktion
"Ungeziefer" umgesiedelt wurden, diejenigen, die nicht studieren durften, weil
sie als Pazifisten den Wehrdienst verweigerten. Fragen Sie all die, die unschuldig
in den Fängen der Staatssicherheit landeten und zu Gefängnis oder Schlimmerem
verurteilt wurden. Fragen Sie die, die drei Jahre zur NVA gehen mussten
(freiwillig natürlich), weil der Studienplatz davon abhing. Fragen Sie die kleinen
und mittelständischen Unternehmer, die ihrer Unternehmen beraubt wurden -
Enteignung nennt man das heute. Fragen Sie die, die ausreisen wollten und ihren
Arbeitsplatz verloren und sich Willkür und Repression ausgesetzt sahen. Fragen
Sie auch deren Angehörige, die mit der Entscheidung gar nichts zu tun hatten.
Und fragen Sie die Angehörigen all der Opfer an der Grenze die nichts weiter
wollten als das, was für Sie, Herr Ramelow, zu dieser Zeit völlig
selbstverständlich war - nämlich freie Menschen zu sein.
All diese Menschen werden für Ihre Definition des Unrechtsstaates sicher großes
Verständnis haben.
All die Borniertheiten, Dummheiten und all die Ignoranz und Arroganz aus Ihren
Äußerungen im Einzelnen herauszuarbeiten, würde den Rahmen eines solchen
Schreibens sprengen. Die Leugnung des Schießbefehls an der innerdeutschen Grenze
mag Ihnen bei unbelehrbaren ehemaligen Offizieren der Grenztruppen Beifall
einbringen, jeder normale Grenzsoldat von damals weiß, dass aus jeder Vergatterung
besser (das hatte nämlich den Status eines Befehls). Und ob das eine "zwingende
Todesandrohung im strafrechtlichen Sinne" war - für die Opfer stellt sich die Frage
nicht mehr, hat sie sich für die Täter gestellt? Damit meine ich gar nicht nur und vor
allem die Schützen - viele tragen wahrscheinlich bis heute an der Last, ein
Menschenleben auf dem Gewissen zu haben. Ich meine diejenigen, die die
Anordnung zu diesem Grenzregime trafen und für die Ausstattung sorgten bis hin
zu Selbstschussanlagen, denen man allerdings wirklich keinen Schießbefehl erteilen
musste.
Sie äußern sich ebenfalls zu den Blockparteien. Auch ich war Mitglied einer
Blockpartei, nämlich der LDPD, und zwar aus dem einzigen Grund: um nicht
Mitglied der SED werden zu müssen. Man kann mich deshalb als Opportunisten
bezeichnen, ja das war ich wohl. Ich wollte mein Leben leben, bis in den Herbst 1989
hatte es den Anschein, als müsste ich dies in der DDR tun. Das galt im November
1989 für etwa 17 Millionen Bürger dieses Landes ebenso. Wir haben gelebt, gelernt,
gearbeitet und wir wollten mehr vom Leben als das, was uns erlaubt war. Wir
wollten Freiheit, auch wenn wir uns das anders, leichter vorgestellt haben. Es ist
bedauerlich, dass Fehler im Umgang mit den Menschen aus der DDR, die in den
Jahren nach 1989 zweifellos gemacht wurden dazu führen, dass Sie Ihre
unerträglichen Thesen heute in der Erwartung vortragen können, Applaus dafür zu
erhalten. Die DDR war eine Diktatur, sie hat ihre Menschen eingesperrt, das Leben
ihrer Einwohner diktiert und überwacht, Andersdenkende schikaniert oder ins
Zuchthaus gesperrt, manchmal sogar ermordet. Daran gab keine wie auch immer
geartete Kollektivschuld, also braucht uns auch niemand davon frei zu sprechen.
Sie, Herr Ramelow haben das Leben in der DDR nicht zu bewerten, Sie sind keine
juristische und erst recht keine moralische Instanz, die über DDR-Lebensläufe zu
befinden hat. Seien Sie froh und dankbar darüber, dass Sie dieses System nicht
erleben mussten.
Dass die DDR ein Unrechtsstaat war, daran besteht kein Zweifel. Das bedeutet
nicht, dass die Menschen in der DDR Unrecht taten, im Gegenteil, ihnen wurde
Unrecht angetan, deshalb ist diese Einschätzung richtig, egal, wie Sie sich verbal
verbiegen, um dies nicht eingestehen zu müssen.
"Lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland einig Vaterland." Diese Zeile stammt
aus dem Text der DDR-Nationalhymne, die seit Anfang der 70er Jahre nicht mehr
gesungen werden durfte. Jeder verantwortliche Politiker sollte sich dies zur Maxime
machen.
Ich glaube nicht, dass Sie und Ihre Partei dies zum Ziel haben.
Uwe Barth
P. S. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Kalendariums der Stiftung Aufarbeitung.
Sie müssten diesen als Abgeordneter im Deutschen Bundestag zu Beginn des Jahres
erhalten haben. Die Lektüre des Kalenders hätte Ihnen sicherlich in Vorbereitung auf
das Interview in der Südthüringer Zeitung geholfen, die Umstände in der DDR
besser einzuordnen. Detailliert werden wichtige Daten der DDR aufgelistet. Sie
können den Kalender unter https://stiftung-aufarbeitung.de/kalendarium/ abrufen,
ich werde mich von meiner Seite aus bemühen, Ihnen einen solchen Kalender
zukommen zu lassen.

Wichtige Daten zur DDR-Geschichte