FDP Greiz- Die Liberalen online im Raum GRZ, ZR

Kreisverband Greiz

close× Telefon: 036622/59035 Fax: ---
 

LINDNER-Interview für "Deutschlandradio Kultur"

(11.02.2010)
Berlin. FDP-Generalsekretär CHRISTIAN LINDNER gab dem "Deutschlandradio Kultur" am 11. Februar das folgende Interview. Die Fragen stellten JAN-CHRISTOPH KITZLER.

Frage: Lange war Ihre Partei ja von den Umfragen verwöhnt. Wie viel Freude machen Ihnen denn die Berichte der Meinungsforscher zurzeit?

LINDNER: Na ja, ich lese solche Umfragen natürlich auch nicht gerne, aber wir wollen uns jetzt auch nicht beunruhigen lassen. Wir haben politische Ziele für diese Legislaturperiode, und wir können nur dann an Zustimmung gewinnen, wenn die Ergebnisse unserer Politik stimmen. Und deshalb kümmern wir uns darum, dass wir zu vernünftigen Ergebnissen für dieses Land kommen, dass wir seine Probleme lösen.

Frage: Wenn ich die Beschlüsse der FDP-Gremien vom Beginn der Woche und vom Sonntag richtig verstehe, ist die Reaktion darauf: Angriff, jetzt erst recht! Will die FDP mit dem Kopf durch die Wand, zum Beispiel bei der Steuerreform?

LINDNER: Nein, da missinterpretieren Sie unsere Beschlüsse und das, was wir uns vorgenommen haben. Wir wollen jetzt ja konkreter werden. Wir wollen die Vorhaben, die wir mit der Koalition umsetzen wollen, jetzt schneller als geplant präzisieren, und der Hintergrund ist ganz einfach folgender: Wir haben als FDP in den letzten Wochen und Monaten etwa in der Gesundheitspolitik eine ganze Reihe von Vorwürfen bekommen, was die Finanzierungsfrage angeht, auch was den solidarischen Ausgleich angeht einer neuen Gesundheitsfinanzierung. Und diese Vorwürfe können wir nur dann entkräften, wenn wir konkret werden, wenn wir belegen können, plausibel machen können, dass unsere gesundheitspolitischen Vorstellungen finanzierbar sind und dass im Übrigen niemand, der einen solidarischen Ausgleich braucht, schlechter gestellt wird ...

Frage: Das Finanzministerium rechnet mit 20 bis 35 Milliarden Euro allein für den Sozialausgleich bei der Gesundheitsreform.

LINDNER: Aber Herr Kitzler, wer will denn so etwas berechnen, wenn es überhaupt noch gar kein Modell gibt! Das ist doch genau das, was ich gerade sage: Da sind Fantasiezahlen im Umlauf, die basieren auf dem, was andere uns unterstellen, was unsere Vorstellungen sind. Und deshalb, wir müssen jetzt selber konkretisieren und schneller als ursprünglich geplant konkretisieren, worauf wir hinaus wollen in den unterschiedlichen Reformbereichen, und dann kann man solche Zahlen auch entkräften.

Frage: Ich hatte vorhin gesagt, mit dem Kopf durch die Wand, das bezieht sich natürlich auch auf den Koalitionspartner. CDU und CSU sind sehr skeptisch, was das Thema Entlastungen angeht, und die Wähler, die Bürger, sind es auch. In den Umfragen wird das ja auch nicht gewollt.

LINDNER: Auch da ist sicherlich eine gewisse Zurückhaltung. Die Interpretation von Umfragen ist hier nicht ganz einfach, denn einfach nur von Mehrheiten auszugehen, macht gerade bei der Steuerentlastung keinen Sinn. Sie wissen auch, dass von den 82 Millionen Deutschen nur 25 Millionen überhaupt Steuern zahlen, das heißt, eine ganz deutliche Minderheit der Deutschen zahlt ohnehin Steuern.

Umso mehr ist es wichtig, dass es eine Partei gibt, die sich um einen fairen Interessenausgleich bemüht, nämlich den Ausgleich der Interessen zwischen einerseits den Leistungsgebern und andererseits den Leistungsnehmern. Aus dem Grund wollen wir auch an unseren Steuerplänen festhalten, da geht es eben auch um eine Vereinfachung des Steuersystems, nicht ausschließlich um eine Entlastung, und auch da wollen wir konkret werden. Im April wollen wir belegen, was wir im Einzelnen zur Vereinfachung tun wollen und wie das alles in ein plausibles Gesamtbild für die Reformvorhaben hineinpasst.

Frage: Ursprünglich war die Verabredung ja mal, man wartet bis nach der Steuerschätzung Anfang Mai. Warum halten Sie sich jetzt nicht daran, an diese Vereinbarung?

LINDNER: Weil die Wähler ein Recht auf Klarheit haben. Ich interpretiere unsere Umfragen so, dass es den Wunsch gibt an die FDP, dass sie deutlicher und klarer macht, was sie möchte, dass sie auch beschreibt, dass das, was sie an politischen Zielvorstellungen hat, dass das möglich ist, realistisch möglich ist, und das ist ein Beitrag zu einem substantiierten Meinungsaustausch in der Demokratie.

Frage: Das Erscheinungsbild der Partei, der FDP, es steht und fällt ja auch mit dem Spitzenpersonal. "Spiegel Online" hat Ihren Parteichef Guido Westerwelle gestern als Lautsprecher mit Aussetzern bezeichnet. Ist das Problem der FDP aber nicht auch, dass Guido Westerwelle gar nicht mehr Lautsprecher sein kann, sondern wegen seines Amtes jetzt viel mehr diplomatische Töne anschlagen muss als früher?

LINDNER: Guido Westerwelle sagt selbst gern, und zu Recht, dass er im Ausland zu Diplomatie verpflichtet ist und dass er im Inland weiter klar auch Probleme anspricht, dass er nötigenfalls auch unbequem ist. Guido Westerwelle hat sich heute in einer großen Tageszeitung etwa zum Hartz-IV-Urteil geäußert und darauf hingewiesen, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dass wir also nicht ausschließlich eine Debatte um Regelsatzerhöhungen führen dürfen, sondern dass dieser faire Interessenausgleich, den ich eben schon angesprochen habe, gewahrt sein muss. Wer solche auch unbequemen Wahrheiten ausspricht, der ist natürlich nicht sofort im Schönheitswettbewerb der Parteien auf der Ebene der Salonlöwen, die sich nur im Common Sense bewegen.

Frage: Guido Westerwelle hat Anfang Januar ja ein großes Wort ausgesprochen: Er hat die geistig-politische Wende in Deutschland ausgerufen. Wie weit sind wir davon noch entfernt?

LINDNER: Da ist noch Arbeit zu leisten, dass wir sie erreichen. Damit ist ja gemeint, dass wir eine neue Balance brauchen von Staat und Privat, eine Achtung vor Privatheit wieder brauchen, dass wir eine Kultur brauchen der Freiheit, aber eben auch der Verantwortung, und zu oft ist die Verantwortung vernachlässigt worden. All das braucht Zeit, das ist auch nicht ausschließlich eine Frage etwa von Veränderungen staatlicher Institutionen, sondern er beschreibt damit auch einen Mentalitätswandel.