TLZ-Interview
Landesvorsitzender Uwe Barth, MdL
Landesvorsitzender Uwe Barth, MdL

Der Landesvorsitzende der FDP Thüringen und Fraktionsvorsitzende der FDP im Thüringer Landtag, Uwe Barth, gab der Thüringischen Landeszeitung folgendes Interview. Die Fragen stellte Gelinde Sommer.

2010: Ein gutes oder ein schlechtes Jahr in der Landespolitik?
Für wen?

Fangen wir bei Ihnen an?
Für mich und für die FDP-Fraktion war es ein spannendes, anstrengendes, schönes und alles in allem gutes Jahr.

Spannend?
Wir sind ja alle neu im Landtag. Ich habe zwar im Bundestag Erfahrung gesammelt, aber die Arbeit dort ist in vielen Belangen anders. Das heißt: Auf uns kamen völlig neue Aufgabenstellungen zu. Wir waren mit neuen Abläufen und Inhalten konfrontiert. Zur Fraktionsarbeit gehört, dass man Stellung bezieht zu Sachverhalten, in die man sich erst einarbeiten muss. Wichtig ist natürlich auch, Prioritäten zu setzen. Und man muss sich auch darüber klar werden, gerade in einer kleinen Fraktion, dass man nicht alles schafft.

Zunächst schien ja eine neue Offenheit Einzug zu halten in den Landtag der fünf Fraktionen. Sind inzwischen wieder die Mauern hochgezogen, vor allem bei CDU und SPD?
Ich habe keinen Vergleich zu der Zeit, als es nur drei Fraktionen waren. Aber ich kann sagen: Es gab keinen unkollegialen Umgang. Aber dass wir als kleine oder anders gesagt als zweitgrößte Oppositionsfraktion nicht überall beteiligt werden, das liegt an Berechnungsverfahren und letztlich am Wählerwillen. Es hat immerhin verschiedentlich Entgegenkommen gegeben, etwa bei den Vizepräsidenten. Anderswo ging es nicht. Bei der Besetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission habe ich mit der Union geredet, aber wenn sie uns einen Sitz abgegeben hätte, wären die Mehrheitsverhältnisse verändert worden. Und das ist dann verständlicherweise eine Grenze der Kollegialität. Wenn wir in der Perspektive denken, dann muss unser Anspruch bei der Landtagswahl 2014 einfach sein, so groß zu werden, dass wir in diesen Gremien überall drin sind.

Als Opposition können Sie derzeit nur etwas gestalten, indem Sie sich einer Regierungsidee anschließen und dann dort eventuell noch eigene Verbesserungsvorschläge einbringen, oder?
Das ist das Normale, aber mir fallen sofort zwei bis drei Beispiele ein, wo wir es geschafft haben, eigene Themen zu setzen und diese auch mehrheitsfähig zu machen. Das geht es einmal um die Umbenennung des Flughafens in Erfurt. Dieser Vorstoß ist letztlich einigermaßen merkwürdig ausgegangen: Kaum hatten wir den Antrag auf den Weg gebracht, hat ihn sich Verkehrsminister Christian Carius von der CDU zueigen gemacht. Dabei hatte es im Plenum zunächst geheißen: Was soll denn das? Und unser Antrag wurde dann abgelehnt, weil es hieß, das Thema sei bereits durch.

Das heißt: Den parlamentarischen Sieg haben Sie nicht davon getragen, aber den Sieg des Faktischen. Und zur Umbenennung werden dann auch andere ganz vorne stehen...
So wird es sein. Aber wir haben unser Ziel erreicht und das ist entscheidend.

Und das zweite Beispiel?
Liegt schon ein paar Wochen länger zurück. Unser Antrag hatte den Titel "Ausbau Erneuerbarer Energien in Thüringen stärken". Wirtschaftsminister Matthias Machnig von der SPD setzt ja sehr stark auf Windkraft und wir sagen: Windkraft ja, aber unter bestimmten Bedingungen. Wir wollen nicht, dass ein Flächenanteil festgeschrieben wird, sondern dass über die installierte Leistung das Ziel definiert wird. Es geht uns darum, die bereits ausgewiesenen Flächen auszubauen, ehe man über weitere Flächen nachdenkt. Und ganz wichtig ist auch, dass Wertschöpfung ins Land geholt wird. Wir verstehen Thüringen nicht nur als Standort für Windräder, sondern als Land der Erneuerbaren Energien soll es auch als Standort für Entwicklung in diesem Bereich sein. Unser Antrag ist im Ausschuss an ein, zwei Stellen ergänzt worden - und jetzt wurde er im Plenum beschlossen.

Aber?
Es gab einen merkwürdigen Auftritt vom Kollegen Weber von der SPD: Er stellte sich im Landtag hin und behauptete, unser Antrag sei schlecht gewesen. Die SPD habe ihn gut gemacht. Deshalb werde er nun beschlossen. Und dann sei alles schön. Das ist schon sehr billig und auch einigermaßen dumm. In Wahrheit war unser Antrag einfach so gut, dass sie ihn gar nicht ablehnen konnten und deshalb haben sie ihn im Ausschuss so verändert, dass sich alle dahinter versammeln konnten. Das ist auch ein Weg...

... aber durchaus nicht die Regel, oder?
Aus dem Bundestag kenne ich das gar nicht. Dort wäre er einfach weggewischt worden von der Mehrheit. Und womöglich hätte man unter eigenem Namen einfach denselben Antrag erneut gestellt. Übrigens hatten wir auch mit unserem Antrag zur Anerkennung von in DDR-Kinderheimen erlittenem Unrecht Erfolg. Solche Achtungserfolge sind für die Motivation nicht schlecht.

Und wie war das Jahr 2010 aus Ihrer Sicht für die Landesregierung?
Tja! Wir haben zwei Haushalte beschlossen...

Man wollte sparen und hat dann mehr ausgegeben.
Wirtschaftsminister Matthias Machnig hat zum Jahresbeginn gesagt, Thüringen müsse sich für den 2010er Haushalt 1,5 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung leisten und es könne sich das auch leisten. 1,3 Milliarden Euro haben wir am Ende 2010 für Thüringen beschlossen. Man könnte jetzt sagen: Ziel erreicht. Aber das wäre sarkastisch.

Die Regierung sagt, die Ausgaben sind richtig, und Sie sagen...
Nein! Wir haben natürlich auch in den beiden Haushalten nicht den Weg gefunden, die Neuverschuldung ganz auf Null zu bringen. Das liegt auch an der Struktur, in die man gar nicht eingreifen kann als Opposition. Aber wir haben in den beiden Haushaltsberatungen etwa 1200 Änderungsanträge gestellt und bereits im ersten Haushalt lag unsere Einsparvolumen bei 470 Millionen Euro. Beim jetzigen Haushalt wären wir dank unserer Änderungsanträge bei der Neuverschuldung auf unter 300 Millionen Euro gekommen. Und dabei haben wir keinen Kahlschlag etwa bei der Bildung vorgenommen, sondern als einzige Fraktion sogar eine Erhöhung bei den freien Schulen vorgesehen. Wir haben das gegenfinanziert. Wir haben Erhöhungen für die Universitäten beantragt, die gegenfinanziert waren. Und wir haben Zuführungen zum Pensionfonds beantragt, ebenfalls gegenfinanziert. Wir haben gespart an Stellen, die der Regierung wehtun. Und wir haben auch bei vielen kleinen Beträgen, selbst wenn es nur um 100 Euro ging, den Rotstift angesetzt. Die Arbeit muss man sich erst einmal machen. Und hier bin ich stolz, besonders auch auf unsere Mitarbeiter, die da viel geleistet haben.

Nehmen wir den Krankenhausplan, der in die Verantwortung von Sozialministerin Heike Taubert von der SPD fällt: Da bleibt nun erst mal alles, wie es ist. Sparen sieht anders aus.
Manchmal ist das Einfachste eben auch das Teuerste. Aber man muss auch sehen: Wirtschaftsminister Matthias Machnig hat in seinem Ressort von 2009 bis 2011 seinen Haushalt um etwa 100 Millionen aufgebläht und Frau Taubert hat diese Jahr 90 Millionen eingespart. Da bin ich jetzt auf den Vollzug gespannt. Denn sie hat viel bei den Investitionen in den Krankenhäusern gespart. Zum Teil handelt es sich um Pflichtaufgaben. Das heißt: Wenn die Kosten anfallen, dann muss sie sie bezahlen. Das führt dann zu überplanmäßigen Ausgaben. Und ich habe mich bei der Gelegenheit gefragt, was passiert wäre, wenn ein FDP-Sozialminister den größten Einsparposten gehabt hätte in der ganzen Landesregierung?! Dann hätte man von sozialem Kahlschlag gesprochen.

Bei der kleinen Kabinettsumbildung jüngst bei der CDU kam der größte Kritiker aus der CDU: Innenexperte Wolfgang Fiedler ließ ungefragt alle wissen, dass der den neuen Innenstaatssekretär für eine Fehlbesetzung hält. Wie kam das bei Ihnen an?
Es ist ja nicht meine Aufgabe und schon gleich gar nicht meine Berufung, das Seelenleben der CDU-Fraktion zu erklären. Von daher will ich jetzt gar nicht mutmaßen, welche enttäuschten Hoffnungen bei Wolfgang Fiedler mitschwingen. Aber bei dieser Kabinettsumbildung ist für mich eine andere Frage viel entscheidender...

Und zwar?
In einer Zeit, in der Terrorwarnungen ausgesprochen wurden, in einer Zeit, in der es um die öffentliche Sicherheit in Deutschland heiße Debatten gab, einen Innenministerposten vier Wochen unbesetzt zu lassen, das fand ich, könnte man sagen, mutig. Aber wenn etwas passiert wäre, spätestens dann hätten es alle als fahrlässig bezeichnet. Den Staatssekretär zum Minister zu befördern, das hätte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gleich machen können, als Peter M. Huber in Karlsruhe zum Bundesverfassungsrichter ernannt worden war.

Vielleicht war es einfach schwierig, jemand für die Finanzen zu finden?
Moment, das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Und ganz vorsichtig formuliert, hat Jürgen Schöning als Staatskanzleiminister bis zum Tag vor seiner Demission nichts davon verlauten lassen. Also gibt es mit Blick auf den jetzigen Innenminister Jörg Geibert zwei Möglichkeiten: Entweder ist er tatsächlich nur zweite oder dritte Wahl und er wurde Minister, nachdem sich Frau Lieberknecht von anderen Absagen eingehandelt hatte, oder sie hatte die Kabinettsumbildung sowieso vor. Die Frage ist ja: Wenn Huber nicht gewählt worden wäre, hätten wir dann noch Marion Walsmann als Finanzministerin und Jürgen Schöning als Staatskanzleiminister?

Würden Sie sagen, das ist symptomatisch für das Taktieren von Christine Lieberknecht?
Symptomatisch ist es sicherlich mit Blick auf die Personalentscheidung. So sehr ich Jürgen Schöning schätze: Es gab nicht die zwingende Begründung, warum er ihr Staatskanzleiminister werden musste, und jetzt wurde gesagt, er gehe in Ruhestand. Falsch: Sie hat ihn aus dem Ruhestand geholt. Kontinuität hat in dieser Frage aber, dass Christine Lieberknecht nicht so sehr auf die CDU-Fraktion Rücksicht nimmt. Wie langfristig klug das ist, das muss sie wissen. Es ist ihre Regierung. Aber ich nehme schon wahr und bei Herrn Fiedlers Äußerung kommt es dann deutlich zu Tage, dass es eine gewisse Distanz zwischen Regierung und den Koalitionsfraktionen gibt. Das ist übrigens bei der SPD nicht anders.

Aber die SPD ist ja fein raus: Die CDU muss neu besetzen und sie...
... kann sich als lachender Dritter daneben stellen und als die Kraft präsentieren, die in diesem Land angeblich für Kontinuität steht. Das ist schräg.

Was muss 2011 passieren?
Auch da ist der Haushalt der erste und wichtigste Punkt. Wenn wir 2011 keinen Haushalt ohne Neuverschuldung hinkriegen, dann schaffen wir das in dieser Legislaturperiode nicht mehr. Ministerpräsidentin Lieberknecht hat mehrfach gesagt, dass Haushaltskonsolidierung über allem steht. Und sie hat mittlerweile gesagt: Nächstes Jahr geht es gleich los. Mich erinnert das an den "Gewissenhaften Maurer" von Otto Reuter. Der sagt auch immer: "Jetzt fangen wir gleich an" und schließlich ist er unverrichteter Dinge nach Hause gegangen, weil, kurz bevor er endlich auf der Leiter ganz oben war, hat die Kirchturmuhr vier geschlagen. Und dann war Feierabend. Also: Wenn Lieberknecht nicht enden will wie dieser legendäre Maurer, muss sie 2011 auf die Leiter steigen und das Dach abdichten.

Konsolidierung ist so wichtig, weil...
Weil davon so vieles andere abhängt: Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit... Wie zukunftsfest Thüringen ist, macht sich am Haushalt fest.

Und was erachten Sie aus FDP-Sicht jenseits vom Haushalt für wichtig im Jahr 2011?
Unsere Schwerpunkte sind die Bildungs- und die Wirtschaftspolitik. Wir werden sehr genau beobachten, wie sich die Änderungen beim Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft insbesondere in der Frage der Finanzierung auswirken. Wir werden die Gemeinschaftsschule weiterhin ausgesprochen kritisch begleiten. Ich halte von der Gemeinschaftsschule als Ausweg für Schulen, deren Existenz ansonsten im Rahmen der Schulnetzplanung gefährdet wäre, gar nichts. Und auch die Ermächtigung des Ministeriums für die Errichtung von Gemeinschaftsschulen halte ich für grundlegend falsch.

Und was betrachten Sie in der Wirtschaftspolitik aktuell als kritisch?
Das leistet man sich ein Landesarbeitsprogramm mit etwa 17 Millionen Euro und bei den kleinen Handwerksbetrieben spart das Land 600 000 Euro für absatzfördernde Maßnahmen, also Messeauftritte und ähnliches. Das ist für einzelne Handwerker, beispielsweise Kunsthandwerker, ein ganz ernsthaftes Problem, weil sie sich dann Messeauftritte nicht mehr leisten können. Aber auch die Energiefragen werden wir kritisch begleiten. Die Aufgabe des Wirtschaftsministers ist es, Wertschöpfung ins Land zu holen. Daran muss er sich messen lassen und nicht an der Zahl der Windräder.

Hört sich so an, als wollten Sie sagen: Bisher hat er mehr Wind gemacht...
Besser könnte ich das nicht sagen.

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27.12.2010 Pressestelle