Kritik von Polizisten, Ökologen und ,,Allianz pro Schiene"

Weimar. (dapd/nb) Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will trotz der Proteste mehrerer Länder an dem Feldversuch mit überlangen Lkw festhalten. Sein Ziel bleibe es, die Testfahrten im kommenden Jahr durchzuführen, sagte Ramsauer nach der Verkehrsministerkonferenz auf Schloss Ettersburg bei Weimar. Der Feldversuch werde in den Arbeitsgruppen des Ministeriums weiter vorbereitet. Diese würden einen Zwischenbericht vorlegen.
Für Anfang Dezember kündigte Ramsauer weitere Gespräche mit den Ländern an.
Die Mehrheit der Bundesländer lehnt die GigalinerTestfahrten ab. Sieben hätten sich dafür ausgesprochen, acht dagegen, sagte Thüringens Verkehrsminister Christian Carius (CDU). SachsenAnhalt habe sich enthalten.

Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sagte, man sei ,,erleichtert, dass auf der Länderebene die verkehrspolitische Vernunft gesiegt hat". ,,Ein Monstertruck-Test, den die Menschen nicht wollen, der gegen geltendes Recht verstößt und den die Mehrheit der Länder ablehnt, ist nicht mehr vermittelbar", betonte Flege. ,,Seit heute ist der bundesweite Großeinsatz von Riesen-Lkw politisch tot", fügte er hinzu.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) lehnt den ,,Gigaliner"-Test ebenfalls ab.
Die überlangen Fahrzeuge würden ,,in hohem Maße die Verkehrssicherheit gefährden", sagt DPolG-Bundesvorsitzender Rainer Wendt. ,,Mit den neuen Riesen-Lastern würde eine neue Dimension im Straßenverkehr etabliert, die andere Verkehrsteilneh mer überfordert. Heute werden Schwerlasttransporte besonders abgesichert, gekennzeichnet und von der Polizei begleitet. Beim ,Verhalten` gegenüber Gigalinern wäre jeder Autofahrer sich selbst überlassen."

Nach Ansicht der Polizeigewerkschaft würde der Einsatz von Gigalinern unzweifelhaft mehr Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagern und damit zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen führen. ,,Viele Streckenabschnitte auf Straßen, wie Kreisverkehre, Ortsdurchfahrten oder Rastplätze, sind für diese riesigen Fahrzeuge nicht geeignet. Hinzu kommt eine hohe Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer beim Überholen vor allem auf Landstraßen", warnt Wendt.

Brücken, Tunnel und Parkplätze sind nicht geeignet Auch der ökologische Verkehrsclub VCD ist gegen den Feldversuch. Die Bundesregierung verfolge eine Salamitaktik, sagt VCD-Güterverkehrsexpertin Heidi Tischmann. Am Anfang stünden Feldversuche mit einem Gewicht von maximal 44 Tonnen. ,,Gleichzeitig wird jedoch bei der EU Lobbyarbeit betrieben, um die Gewichte europaweit auf bis zu 60 Tonnen zu erhöhen und so in einigen Jahren einen Sachzwang für diese Fahrzeuge konstruiert zu haben", so Tischmann. ,,Brücken, Tunnel, Leitplanken, Parkplätze und Bahnübergänge seien für Gigaliner nicht ausgestattet erst recht nicht für Gewichte bis 60 Tonnen. Die Kosten für den Ausbau der Infrastruktur und Reparaturen müssten die Steuerzahler tragen."

BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf erklärte, die deutsche Industrie unterstütze den Feldversuch für Lang-Lastwagen. Innovative Nutzfahrzeuge seien besonders effizient, ermöglichten weniger Fahrten und mehr Klimaschutz. Dem BDI gehe es ,,um eine maßvolle Erhöhung der Länge auf 25 Meter und des Gewichts auf 44 Tonnen und das bei höchsten Sicherheitsanforderungen".
Nach Ansicht des Thüringer FDP-Wirtschaftspolitikers Thomas L. Kemmerich wird die Debatte zu oft mit falschen Argumenten geführt.
,,Ein Bundesland, dass sich gern als Logistik-Land darstellen möchte, kann die Möglichkeiten, die sich Spediteuren mit Gigalinern eröffnen, nicht ignorieren", betont der Landtagsabgeordnete.

Der FDP-Poliker verweist dabei auf die positiven Ergebnisse einer Studie der Fachhochschule Erfurt, die den ersten Gigaliner-Versuch in Thüringen von März 2008 bis Ende Dezember 2009 wissenschaftlich begleitet hatte. Bei einem unverändertem Gesamtgewicht von 40 Tonnen bot der damals eingesetzte Thüringer Euro-Combi ein um etwa 50 Prozent vergrößertes Ladevolumen. Dadurch wurde es möglich, zwischen Hermsdorf und Ohrdruf (etwa 105 Kilometer) täglich fast zwei Touren eines konventionellen Sattelkraftfahrzeugs einzusparen. In puncto Verkehrssicherheit ergab die Studie, dass Kurvenfahrten für den Euro-Combi kein Problem darstellten. ,,Er lasse sich besser lenken als ein Sattelkraftfahrzeug", gaben die Erfurter Wissenschaftler an.

08.10.2010 Thüringische Landeszeitung (TLZ)