Landesvorstand
Ärzte im Streik
Ärzte im Streik

Für eine Verbesserung der finanziellen Lage niedergelassener Ärzte will sich die Thüringer FDP einsetzen. Insbesondere soll die Gefahr einer "dramatischen Unterversorgung" in strukturschwachen Gebieten begegnet werden. Dies beschloss der FDP-Landesvorstand auf einer Sitzung am Montag. Die Landesführung nahm damit einen verwiesenen Antrag vom FDP-Landesparteitag Ende letzten Monats an. Darin sprechen sich die Liberalen u.a. für eine Ost-West-Angleichung der Vergütung je Versicherten im ambulanten medizinischen Bereich aus. Auch soll das Gesetz zur automatischen Rückgabe der Kassenzulassung mit 68 Jahren abgeschafft werden. Begründet wurden diese Vorschläge v.a. mit der verschärften Lage niedergelassener Ärzte. Berufseinsteiger würden sich kaum noch niederlassen. Mediziner die in den Ruhestand gehen, finden aufgrund von mangelnder Attraktivität ihrer Praxen kaum noch Nachfolger. Diesem Trend will die FDP entgegenwirken.

Die FDP-Landesführung wertete auf ihrer Sitzung auch die Kommunalwahlen aus. "Wir haben zahlenmäßig keine Mandate verloren", sagte Landeschef Uwe Barth, MdB. Nach wie vor gehöre damit die FDP Thüringen mit über 20 hauptamtlichen Bürgermeistern zu den stärksten FDP-Landesverbänden. Hervorgehoben wurde das Landratsergebnis im Altenburger Land. Der Zuspruch für den FDP-Bewerber Daniel Scheidel, der im Ostthüringer Landkreis 17,2 Prozent errang, gehöre auch bundesweit zu den besten Ergebnissen für einen Landratskandidaten.

Der FDP-Landesvorstand war sich allerdings darin einig, dass auf kommunaler Ebene viel Nachwuchsarbeit nötig sei. Nicht wenige Kommunalpolitiker würden in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. "Wir müssen heute beginnen, Nachfolger aufzubauen", so Barth. Wer nicht frühzeitig einen Nachfolger benenne, riskiere den Verlust des Mandates für die FDP, wie auch aktuelle Fälle belegten.Geeinigt hat sich der Landesvorstand auf eine umfassende Stratgieklausur. Mit der Kommunalwahl sei, abgesehen von den Stichwahlen, vorraussichtlich die letzten Entscheidungen vor 2009 gefallen. Der Landesvorstand werde noch vor der Sommerpause in Klausur gehen, um die programmatischen, strategischen und auch personellen Aufgaben und Ziele abzustecken.

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Anhang: Nachfolgend der angenommene Antrag in Langform:

Verbesserung der finanziellen Situation niedergelassener Ärzte

Die FDP-Bundestagsfraktion wird aufgefordert sich für die Verbesserung der finanziellen Lage der niedergelassenen Ärzte einzusetzen und der Gefahr einer dramatischen Unterversorgung insbesondere in strukturschwachen Gebieten entgegenzuwirken. Maßnahmen auf folgenden Gebieten bieten sich an:
Angleichung der Vergütung je Versicherten der Krankenkassen im ambulanten medizinischen Bereich Ost an West.
Abschaffung der Disease Management Programme (DMP) wegen mangelnder Effizienz.
Die Investitionen der elektronischen Patientenkarte dürfen nicht in der geplanten Form den Arztpraxen aufgebürdet werden
Die Zertifizierung nach ISO 9000 ist für Betriebe von der Größenordnung einer durchschnittlichen Arztpraxis überdimensioniert und überflüssig und sollte abgeschafft werden.

Ergänzend dazu ist

5. Das Gesetz zur automatischen Rückgabe der Kassenzulassung mit 68 Jahren abzuschaffen.

Die finanzielle Lage der niedergelassener Ärzte hat sich dramatisch verschärft. Wie die Entwicklung der Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigt, sind diese in der Krankenhausversorgung Ost inflationsbereinigt um 15,3% gestiegen, die der ambulanten Behandlung Ost jedoch um 12,8% gefallen. Hier tut sich ein Schere von ca. 30% auf. Dies ist nicht sachgerecht, wenn man bedenkt, daß angesichts der Überalterung der Bevölkerung eine angemessene Versorgung in der Fläche sichergestellt werden muß. Seit Jahren geht daher die Niederlassung von Berufseinsteigern gegen Null und Mediziner die aus Altersgründen in den Ruhestand gehen, finden aufgrund von mangelnder Attraktivität ihrer Praxen kaum noch Nachfolger. Die oben genannten Maßnahmen sollen diesem Trend entgegenwirken.

Zu 1. Nach den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums liegen die Ausgaben der Krankenkassen je Versicherten für die ambulante medizinische Versorgung in den neuen Bundesländern nur bei ca. 80% im Verhältnis zu den alten. Trotz einer nachgewiesenen höheren Morbidität der Bevölkerung muß ein Vertragsarzt in den neuen Ländern zur Zeit ungefähr 36% mehr Patienten pro Jahr behandeln (Basis: Fallzahl). Das Finanzvolumen, welches zumindest für einen Ausgleich der Ausgaben je Versicherten benötigt würde, beträgt ca. 700 Mio. Euro p.a. Dieses Geld müßte nicht durch eine Erhöhung des Beitragssatzes aufgebracht werden, sondern könnte verpflichtend aus Einnahmen der Krankenkassen im Rahmen der neuen Festbetragsregelung nach dem Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) finanziert werden. Daneben stünde alternativ die Frage, ob nicht der Leistungsbereich der stationären Versorgung, welcher überproportional in den vergangenen Jahren angewachsen ist, einen Teil an die ambulante ärztliche Versorgung abführen muß. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der eingeführten Fallpauschalen am Krankenhaus, die zu einer Liegezeitverkürzung führen und zu einer Verlängerung prä- und poststationärer Leistungen in den ambulanten medizinischen Bereichen.

Zu 2. Die Wirkung der Disease Management Programme (DMP) krankt an Intransparenz und hebt den Effekt der Praxisgebühr auf, da die Teilnehmer an diesen Programmen keine Praxisgebühr zahlen. Fraglich ist, ob durch diese aufwändigen Programme die Kranken (Zuckerkranke, Herzkranke, Patientinnen mit Brustkrebs) wirklich besser versorgt und häufiger geheilt werden. Die Gefahr ist, dass der Grossteil der Investitionen durch sinnlose Bürokratie aufgebraucht werden, ohne dass beim leistungserbringenden Arzt etwas ankommt.

Zu 3. Sollte die elektronische Chipkarte für Patienten kommen, so bedeutet dies Investitionskosten von 7-8000 Euro pro Praxis ungerechnet der Kosten für Softwarepflege etc. Die von der KV im Raum stehenden Vergütung ist dagegen minimal, die Amortisation dauert zu lange. Es steht zu befürchten, daß viele ältere Ärzte besonders in Ostdeutschland dies zum Anlaß nehmen in den Ruhestand zu gehen.

Zu 4. Allein die externen Zertifizierungskosten nach ISO für Arztpraxen betragen etwa 1000 € und müssen zunächst jährlich und dann dreijährlich aufgebracht werden. Hinzu kommt ein erheblicher Anteil an internen Arbeitskosten.

Zu 5: Die Ärzteschaft Thüringens insb. im niedergelassenen Bereich ist überaltert, die Hälfte von ihnen älter als 55 Jahre. Man schätzt, daß demzufolge bis 2010 etwa 640 Ärzte ihre Kassenzulassung aus Altersgründen zurückgeben werden, davon 40% Allgemeinmediziner. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist es geboten, die Rückgabe der Zulassung per Gesetz, (vergleichbares gibt es ja auch nicht bei anderen Berufen z.B. bei Rechtsanwälten) rückgängig zu machen. Wir sind uns allerdings bewußt, daß diese Maßnahme allein nicht helfen kann, sondern nur , wenn die Attraktivität des Weitermachens auch sonst verbessert wird, wie in den anderen Maßnahmen gefordert. Denn das durchschnittliche Alter der Rückgabe der Kassenzulassung liegt in Thüringen bereits bei 61,5 Jahren!