Interview in der TLZ
Landesvorsitzender Uwe Barth, MdL
Landesvorsitzender Uwe Barth, MdL

Für den Landes- und Fraktionsvorsitzenden der FDP Thüringen Uwe Barth ist ein Jahr Schwarz-Rot in Thüringen vor allem "ein teures Jahr" gewesen, sagte er im Interview mit der Thüringischen Landeszeitung (30.10.2010). Die Neuverschuldung werde durch die beiden Haushalte 2010 und 2011 um 1,5 Milliarden Euro in die Höhe getrieben. Wenn die Landesregierung wie jetzt geschehen jährlich 200 Millionen Neuverschuldung abbaue, sei man 2014 wieder auf dem Stand von 2009. "Schwarz-Rot hätte das Land dann zwei Milliarden Euro an Neuverschuldung gekostet", so Barth. Ziel der FDP sei weiterhin, die Neuverschuldung auf Null herunterzufahren.

Interview der TLZ (30.10.2010). Das Interview führte Hartmut Kaczmarek.

Der FDP-Landesparteitag findet in einer bundesweit schwierigen Situation für
die FDP statt. Die Umfragen sind im Keller, die Partei müsste derzeit um den
Einzug in den Bundestag bangen. Erwarten Sie, dass sich in Bad Langensalza
die Basis ihrem Unmut Luft macht?

Die Thüringer FDP veranstaltet ihren ersten Parteitag nach den Wahlen des
vergangenen Jahres. Es hat keinen Jubelparteitag nach dem Wiedereinzug in
den Landtag gegeben. Deshalb können wir erst einmal voller Stolz
konstatieren: Die Thüringer FDP steht so gut da wie seit 15 Jahren nicht
mehr.

Dann ist da doch noch der Tiefpunkt auf Bundesebene.
Natürlich sind die Parteimitglieder mit der aktuellen Lage nicht zufrieden.
Deshalb würde es mich überraschen, wenn die Delegierten das nicht zur
Sprache bringen würden.

Ist es nicht sogar notwendig, um Druck von der Basis in Richtung Berlin zu
machen?

Das scheint mir nicht mehr notwendig zu sein. In Berlin hat man die
Dramatik der Situation erkannt.

Ist es für Sie traurig, dass man jetzt mehr über das Tief auf Bundesebene
als über die Erfolge der FDP im vergangenen Jahr spricht?

Es ist schon schade, dass sich diese Entwicklungen so überlagern. Ich denke,
die Delegierten können schon unterscheiden zwischen dem, was auf Landes- und
auf Bundesebene passiert.

Aber das hängt trotzdem doch zusammen?
Es ist ein Geben und Nehmen. Wir haben in Thüringen im vergangenen Jahr
stark vom Bundestrend profitiert. Jetzt haben wir in Thüringen die Aufgabe,
durch eine gute Politik vor Ort für ein gutes Klima für die FDP insgesamt zu
sorgen.

Mitgefangen - mitgehangen?
Wir gehören zusammen. Es ist eine Partei. Man wird gemeinsam in Haftung
genommen, auch wenn man an gewissen Entwicklungen keinen unmittelbaren
Anteil hat.

Ein Jahr Schwarz-Rot in Thüringen. Jeder zieht Bilanz. Wie ist das Jahr aus
Ihrer Sicht gelaufen?

Wir haben ein Jahr Landesregierung zu konstatieren. Zu feiern gibt es
nichts. Aber ich will mit etwas Positivem anfangen.

Das überrascht. Was denn?
Ich meine den Ausgang der Koalitionsverhandlungen. Es ist und bleibt das
Verdienst von Christoph Matschie, dass die rot-rote oder rot-rot-grüne
Koalition nicht zustande gekommen ist.

Soweit das Positive.
Was wir seither erleben, ist allerdings traurig.

Spart Thüringen nicht genug?
Natürlich nicht. Wir haben zwei Haushaltsberatungen gehabt in diesem Jahr.
Am Ende stand eine Neuverschuldung von 1,5 Milliarden Euro innerhalb von
zwei Jahren.

Frau Lieberknecht sagt, Thüringen sei auf dem richtigen Weg.
Wenn man das so sieht, muss man entweder blind oder ignorant sein. Diese
Auswahl würde ich anbieten.

Stichwort Bildungspolitik. Hier hat die Koalition immerhin eine neue
Schulform etabliert - das SPD-Lieblingskind Gemeinschaftsschule.

Brauchen wir die Einführung einer ideologisch motivierten Schulform
wirklich? Thüringen zählt mit Blick auf alle Bildungsstudien zu den
Spitzenländern in Deutschland.

Die CDU hat die Oberschule dagegen gesetzt.
Was hat sie erreicht? Sie hat sich mit einem Placebo - sprich Gütesiegel für
die Oberschule - ihren Widerstand abkaufen lassen. Das gehört für mich zur
Misserfolgsbilanz der CDU. Die Förderschulen werden in ihrer Existenz
gefährdet, die Erfolge der Regelschulen werden totgeschwiegen. Auch die
Kürzungen bei den freien Schulen sind ideologisch motiviert und schaden den Betroffenen.

Wer hat in dieser Koalition die Hosen an, Frau Lieberknecht oder Herr
Machnig oder doch Herr Matschie?

Derjenige der in der Koalition die Marken zieht und die Spuren zieht, ist
Wirtschaftsminister Matthias Machnig. Sein Satz "Ich könnte noch besser
sein, wenn es Wettbewerb gäbe" ist arrogant und unkollegial. Eine
Ministerpräsidentin als Chef des Kollegialorgans Kabinett müsste so etwas
unterbinden. Es ist auch eine Anmaßung gegenüber dem, was in den letzten
Jahren in Thüringen passiert ist.

Ein Jahr Schwarz-Rot - aus Ihrer Sicht ein verlorenes Jahr?
Es ist vor allem ein teures Jahr.

Sie haben gesagt, die Thüringer FDP will mit ihren bescheidenen Mitteln dazu
beitragen, dass es der Bundes-FDP besser geht und wir vor Ort Erfolg haben.
Mit welchen Initiativen soll das geschehen?

Kleine und große Dinge kommen da zusammen. Ich beginne beim Haushalt. Die
FDP hat ernsthafte Einsparungsvorschläge gemacht. Die wären auch umsetzbar
gewesen, wenn man es denn ernsthaft gewollt hätte.

Ihr Lieblings-Minister Machnig sagt, es sei kein einziger zu realisieren
gewesen.

Die Landesregierung hat doch selbst das Gegenteil bewiesen. Im Zuge der
Haushaltsberatungen 2010 hat sie die Neuverschuldung von 880 Millionen um 60
Millionen gesenkt. Legen Sie mal unsere Anträge und die der Koalition
nebeneinander. Und Sie werden feststellen, dass eine ganze Reihe davon auch
von uns gestellt worden sind.

Sie wollen die Neuverschuldung auf Null schrauben?
Das muss das Ziel sein. 2020 müssen wir mit einem Haushaltsvolumen von 6,5
bis 7,5 Milliarden auskommen. Das sind zwei Milliarden weniger als jetzt.
Wir müssen mit dem Sparen jetzt anfangen.

Mit Einsparen macht man sich nicht nur Freunde.
Sicher. Aber es gibt doch keine Alternative, wenn das Land in zehn Jahren
bankrott ist.

Außer dem Haushalt: Wo setzt die FDP landespolitisch noch Duftmarken?
Nehmen Sie das Beispiel der Umbenennung des Flughafens Erfurt in
Erfurt-Weimar. Das ist von uns angestoßen wurden. Ein anderer Punkt ist die
Diskussion um die Erneuerbaren Energien. Der Wirtschaftsminister will die
Flächen für Windanlagen verdreifachen. Die FDP sagt: Wir sollten doch erst
einmal die jetzt zur Verfügung stehenden Flächen nutzen. Und wir sollten
überall moderne Anlagen mit entsprechend hohen Leistungen bauen.
Entscheidend ist doch die Leistung, nicht die Fläche. Wir müssen auch darauf
achten, dass diese Anlagen auch in Thüringen hergestellt werden. Der Antrag
schlummert im Wirtschaftsausschuss. Die jüngste Sitzung ist ausgefallen, weil
die Koalitionäre sich in diesem Punkt nicht einig waren.

Der Wirtschaftsminister sagt, er wolle sich vom Konzept des Aufholens zu den
alten Ländern verabschieden. Teilen Sie diese Einschätzung?

Das ist doch kein Konzept. Das kann man als Ziel ausgeben.

War der Kampf der Landesregierung für die Solarindustrie nicht erfolgreich?
Der Wirtschaftsminister hat doch nur gegen die Bundesregierung geschossen.
Er hat von der Bedrohung von Tausenden von Arbeitsplätzen gesprochen, er hat
vor wegbrechenden Märkten gewarnt. Und heute? Die Branche boomt. Es wird
mittlerweile so viel Solarstrom eingespeist, dass es schon wieder
Preisprobleme gibt. Jetzt warnt Machnig vor Panikmache - so kenne ich ihn
gar nicht.

Ist der Eindruck so ganz falsch, dass Machnig manchmal auf die FDP verbal
einprügelt, aber den Koalitionspartner CDU in Wirklichkeit meint?

Den Eindruck würde ich so stehen lassen. Mit bundespolitischen Themen kann
man angesichts der Konstellationen in Berlin und in Thüringen wunderbar über
Bande spielen. Machnig sieht sich mehr als Globalpolitiker, der eher an den
großen Rädern drehen will und dem die Thüringer Politik viel zu kleinteilig
ist.

Zurück zur FDP: Sie haben zu Anfang der Legislatur gesagt, sie wollen die
bürgerliche Oppositionspartei im Land sein. Haben Sie das Ziel bislang
erreicht?

Profilierung ist ein ständiger Prozess. Wir sind ein gutes Stück
vorangekommen. Wir sind die einzige bürgerliche Opposition. Die Grünen haben
hier in Thüringen mit bürgerlichen Werten wenig zu tun. Das ist die dritte
linke Partei.

Wollen Sie bei der CDU auf Wählerfang gehen?
Das brauche ich gar nicht.

CDU-Fraktionschef Mike Mohring sagt ja, Eure Wähler sind ja eigentlich
unsere Wähler.

Die Wähler gehören zunächst erst einmal niemandem. Die Wähler, die sich in
Thüringen nicht mehr von der CDU und ihrer Politik in der Koalition
repräsentiert fühlen, sind natürlich bei uns herzlich willkommen.

Aber Sie könnten doch unter taktischen Gesichtspunkten mit der Entwicklung
zufrieden sein, da die SPD doch - wie Sie sagen - in der Koalition den Ton
angibt?

Wenn ich die Taktik in den Vordergrund stelle, ist das richtig. Aber dafür
sind wir nicht gewählt. Wir sind gewählt, um für das Land eine gute Politik
zu machen. Deshalb gefällt mir die Politik der Landesregierung überhaupt
nicht.

Das erste Jahr war ein teures Jahr, sagen Sie. Haben Sie die Hoffnung, dass
es besser wird?

Wenn die Landesregierung weiterhin jährlich die Neuverschuldung nur um 200
Millionen Euro herunterschraubt, dann sind wir 2014 wieder da, wo wir vor
den Landtagswahlen schon einmal waren: bei einer Neuverschuldung Null. Aber:
wir haben zwei Milliarden neue Schulden. Das ist der Preis, den das Land für
Schwarz-Rot bezahlt. Das ist ein hoher Preis.

Bericht in der TLZ: Thüringer FDP will der CDU Wähler abjagen