Landratswahlkampf

Altenburger Landrat mit allen Mitteln gegen seinen Herausforderer

Mondscheinfrisörin Ilka Brückner (FDP) ging vor wenigen Jahren ins Gefängnis, weil sie trotz widersprechender Gesetze nach Ladenschlusszeiten Haare schnitt. Ein ähnlicher Vorgang der Unmöglichkeit scheint sich jetzt im Altenburger Land abzuspielen. Vier sparkassenkritische Äußerungen aus dem Wahlkampf um den Altenburger Landratsposten 2006 soll der FDP-Kandidat Daniel Scheidel jetzt zurücknehmen. Scheidel, der 17,2 Prozent Wählerstimmen holte, hatte den Amtsinhaber, Landrat Sieghardt Rydzewski (SPD), attackiert. Letzterer, zugleich Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse, erklärte immer wieder gern die Wirtschaft zur Chefsache. Damit fand sich Scheidel, Wirtschaftsförderer der Stadt Altenburg, nicht ab. Denn gerade die Kreditvergabe der Sparkasse, der Rydzewski vorsteht, an Unternehmen der Region sei "eher ziemlich mau", so Scheidel damals öffentlich. Scheidel belegte seine Kritik mit konkreten Beispielen. Zudem hatte der FDP-Politiker, der mittlerweile stellvertretender FDP-Landesvorsitzender ist, moniert, dass Verwaltungsratssitzungen "eher den Charakter einer Lustreise mit Opernbesuch, Übernachtung im Luxushotel und Ehegattenprogramm haben". Im Gegenteil dazu seien einige hundert Arbeitsplätze im Landkreis nicht entstanden, weil die örtliche Sparkasse Kredite verweigerte oder bei Firmen, die schwarze Zahlen schrieben, die Kredite kündigte.

Scheidel wurde jetzt, Monate nach dem Wahlkampf, eine Unterlassungserklärung zugestellt. Dies kam für den FDP-Landesvize überraschend. Denn Landrat Rydzewski hatte einen Tag vor seinem Wieder-Amtsantritt verkündet, dass man die Turbulenzen der Wahl am Ende nicht so ernst nehmen müsse. Zudem wurde von beiden Seiten versucht, den Streit in aller Stille aus der Welt zu schaffen. "Aber nun werde ich mich natürlich verteidigen. Erstens bin ich überzeugt, in der Sache Recht zu haben. Zweitens sollte schon grundsätzlich geklärt werden, dass es erlaubt ist, in der politischen Auseinandersetzung die Kredit- und Wirtschaftspolitik eines Geldhauses zu kritisieren, in dem der politische Gegner als Verwaltungsratschef die Weichen stellt", sagte Scheidel der Osterländer Volkszeitung.

Rückendeckung erhält Scheidel vom FDP-Landesvorstand. Dieser beschäftigte sich zu seiner konstituierenden Sitzung am Montag mit dem Vorfall. Den konkreten Sachverhalt werde man nicht beurteilen. Allerdings sei die Art und Weise der Beschäftigung mit dem Wahlkampfthema bezeichnend. Landeschef Uwe Barth, MdB, sagte, dass es legitim sein müsse, dem politische Gegner seine konkreten Handlungsweisen zur Wirtschaftspolitik vorzuhalten. "Das bitte schön muss erlaubt sein, auch wenn einer der Herren ein anderes Parteibuch trägt. Schließlich müssen sich seine regierenden Genossen an anderer Stelle auch daran erinnern lassen, was sie im Wahlkampf sagten." Barth verglich den Vorfall direkt mit dem Fall von Ilka Brückner. Juristisch sei ihre Gefängnishaft, die Thüringer FDP hatte mittels Kaution eine weitere Haftdauer verhindern können, gerechtfertigt gewesen. "Politisch und gesellschaftlich war sie von Anfang an unhaltbar. Entsprechend wurden die einschlägigen Gesetze geändert", so Barth. Ähnlich sei die "Altenburger Posse" politisch zu bewerten. Die FDP werde Scheidel nach Kräften unterstützen. Wenn das Ansehen einer Anstalt öffentlichen Rechts künftig zum Tabuthema politscher Auseinandersetzung erklärt werde, könnte die Frage gestellt werden, welches Thema im Wahlkampf nicht das Ansehen irgendeiner staatlichen Institution beschädigen könnte.

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OVZ-Artikel vom 14.10.2006

Sparkasse verklagt FDP-Politiker Daniel Scheidel wegen alter Wahlkampfattacken auf SPD-Landrat Sieghardt Rydzewski
Schluss mit lustig: "Lustreisen" kommen vor Gericht

Altenburg. Nun bekommt der hitzige Landratswahlkampf vom Frühjahr auch noch ein spektakuläres gerichtliches Nachspiel: Die Sparkasse Altenburger Land verklagt den Landratskandidaten der FDP und Wirtschaftsförderer der Stadt Altenburg, Daniel Scheidel.
Der inzwischen zum stellvertretenden Thüringer Parteichef aufgestiegene Alternburger Liberale soll vier sparkassenkritische Äußerungen aus den Wahlkampftagen zurücknehmen und sich außerdem verpflichten, sie nicht zu wiederholen - andernfalls drohen bis zu 250 000 Euro Ordnungsgeld oder bis zu sechs Monate Haft.

Das Geraer Landgericht bestätigte gestern den Eingang der Klageschrift (Aktenzeichen 3O1361/06). Ein Termin für die öffentliche Verhandlung stehe noch nicht fest, sagte ein Gerichtssprecher auf OVZ-Anfrage.
Konkret geht es um Vorwürfe, mit denen der FDP-Kandidat Daniel Scheidel den Amtsinhaber, Landrat Sieghardt Rydzewski (SPD), attackiert hatte. Der ist zugleich Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse und erklärt immer wieder gern die Wirtschaft zur Chefsache. Doch gerade die Kreditvergabe seiner Sparkasse an Unternehmen der Region sei "eher ziemlich mau", hatte Scheidel öffentlich gerügt. Und dafür unter anderem das Beispiel des Sportwagenherstellers Gumpert angeführt, der sich den Serienstart seines Apollo-Flitzers am Ende von der Sparkasse Jena finanzieren ließ.
Außerdem hatte der FDP-Politiker moniert, dass Verwaltungsratssitzungen "eher den Charakter einer Lustreise mit Opernbesuch, Übernachtung im Luxushotel und Ehegattenprogramm haben", dass einige hundert Arbeitsplätze im Landkreis mit der Sparkasse als Finanzier nicht entstanden wären, dass Firmen, die schwarze Zahlen schrieben, die Kredite gekündigt wurden und dass regelmäßig Investoren, die von der Altenburger Wirtschaftsförderung oder privaten Unternehmensberatern an die Sparkasse vermittelt würden, ihre Kreditanfragen abgelehnt bekamen.

Die Sparkasse sieht in all diesen Aussagen wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen, die ihr Ansehen in der Öffentlichkeit beschädigen, sie herabwürdigen und verächtlich machen - dringende Wiederholungsgefahr inklusive. Die Bank will deshalb Scheidel auch dadurch dauerhaft an die Kette legen, dass sie sich per Gerichtsentscheid zubilligen lassen möchte, jederzeit selbst entscheiden zu können, wo, wie und wie oft sie seinen Widerruf publiziert.
"Das alles hat mich und meine Parteifreunde schon ziemlich überrascht", räumte Scheidel gestern auf Anfrage unserer Zeitung ein. "Nicht nur, weil der Landrat ja noch einen Tag vor seinem Wieder-Amtsantritt verkündet hat, die Turbulenzen der Wahl müsse man am Ende nicht so ernst nehmen. Und nun so was." Vor allem aber, so versichert der Ex-Landratsherausforderer, habe man sich seit Wochen bemüht, die Diskrepanzen mit Hilfe von Anwälten in aller Stille aus der Welt zu schaffen. Alles andere nütze schließlich weder der Sparkasse, noch dem Altenburger Land oder der FDP.
"Aber nun werde ich mich natürlich verteidigen. Erstens bin ich überzeugt, in der Sache Recht zu haben. Zweitens sollte schon grundsätzlich geklärt werden, dass es erlaubt ist, in der politischen Auseinandersetzung die Kredit- und Wirtschaftspolitik eines Geldhauses zu kritisieren, in dem der politische Gegner als Verwaltungsratschef die Weichen stellt."

Interessanter Weise, so merkt der Altenburger Wirtschaftsförderer an, habe man in der Klage seine Hauptkritik völlig ausgeklammert - dass nämlich die Kreditvergabe der Altenburger Sparkasse deutlich hinter der anderer Sparkassen hinterherhinkt. Nun werde er eben eine Menge Zeugen bitten müssen, die Richtigkeit seiner Darstellungen zu bestätigen, indem sie ihre eigenen Erfahrungen mit der Sparkasse auf den Tisch legen, sagte Scheidel.
Dagegen mochten weder Verwaltungsrat noch Vorstand der Sparkasse eine Stellungnahme abgeben - mit dem üblichen Verweis auf das laufende Verfahren. Scheidel sei aber im Vorfeld mehrfach gebeten worden, seine unwahren Äußerungen zurückzunehmen, sagte Sparkassenchef Thomas Wagner. Auch Landrat Sieghardt Rydzewski blieb - nach Rücksprache mit dem Vorstand - in Deckung. Die Klage habe aber nichts mit dem Landratswahlkampf zu tun. "Der Landrat weist solche Verquickungen durch die Presse entschieden zurück", ließ er eine Sprecherin auf OVZ-Anfrage ausrichten. "Es geht einzig und allein darum, die wirtschaftlichen Interessen der Sparkasse zu wahren."

Günter Neumann

17.10.2006 Pressestelle